Kappadokien: Von Antalya über das Taurusgebirge nach Konya

Mit 300 Sonnentagen im Jahr ist die Türkei ideales Reiseziel für, sich nach Licht und Wärme sehnende Österreicher, Norweger oder Deutsche. Das von München in gut zwei Stunden erreichbare Reiseparadies bietet neben pulsierenden Städten wie Istanbul, Izmir, der Perle der Ägäis oder Konya (altgriechisch: Ikonium) eine Jahrtausende alte Kultur in Landschaften, die seinesgleichen sucht.

Unter dem nachtschwarzen Himmel empfängt ein blitzendes und blinkendes Lichtermeer die aus München kommende Maschine spät nach Mitternacht auf dem Flughafen von Antalya. Der in Deutschland geborene und dort aufgewachsene Reiseleiter Murat und der Busfahrer sind hellwach – heißen die deutschen und österreichischen Gäste willkommen.

Noch in der Nacht serviert die Hotel-Crew vom „Seher Sunbeach-Strandhotel“ eine heiße Suppe mit lokalem Snack: Türkische Oliven und sonnengereifte Tomaten. In einem großen Bogen gibt der Reiseleiter einen Überblick über die Sehenswürdigkeiten, die die Gäste erwartet: Eine unterirdische Stadt, das historische Konya mit Schätzen aus der Seldschukenzeit (1040 – 1194) und die Tuffstein-Landschaften mit ihren Feen-Kaminen.

„All das ist auf der Welt einzigartig. Auf einer Fläche von 814.578 Quadratkilometern präsentiert sich die Türkei mit unzähligen, verschiedenen Gesichtern und gegensätzlichen Klimazonen. Bereits im Frühling herrschen an der Küste um die 20 Grad, in der Zentral-Türkei und in Kappadokien kann es im Winter dagegen bis zu minus 35 Grad kalt werden“, so der Reiseleiter.

Kappadokien boomt

„Auf der Strecke von Antalya in Richtung erloschener Vulkan „Erciyes Dagi“, dem heiligen Berg, dem wir unter anderem Kappadokien zu verdanken haben, werden wir über 550 Kilometer zurücklegen, aber es wird niemals langweilig“, verspricht der Reiseleiter und stellt in Aussicht warum Kappadokien boomt: „Vielleicht sind Sie der 4,5-Millionen-und-eine Besucher, der den Fuß auf diese grandiose Landschaft setzt und einer Karawane gleich auf diesen uralten Handelswegen das Land der Nomaden durchreist – nach all jenen, die diese Landschaft schon vor Ihnen kennen und lieben gelernt haben.“

Zur Zeit der Seldschuken gaben ein Trommler und ein Ausrufer das Anreisen der Karawane bekannt, die allerlei Gewürze und Stoffe mit sich führte. Für den Handel konnten sich Bürger der Stadt anmelden und in regen Austausch treten. Nach dem Tauschgeschäft begab sich die Karawane mit den ältesten Tieren an der Spitze, die das Tempo des Zuges bestimmten, wieder auf den Weg. So eng miteinander verbunden zogen Tier und Mensch durch das Land, verbrachten die Zwischenstopps in Karavanserails (Paläste) und Hans (Unterkünfte) gemeinsam.

„Auf den Stopps konnte ein einziges Kamel 40 bis 50 Liter Wasser auf einen Zug austrinken“, erläutert Reiseleiter Murat den Wissbegierigen und schließt an, dass in damaliger Zeit Menschen und Tiere gemeinsam schliefen, ohne dass jemand die Nase gerümpft hätte: „Bei meterhohem Schnee und eisiger Kälte verbrachten sie die Nächte Seite an Seite um sich gegenseitig zu wärmen.“

Ziehende Karawanen gibt es längst nicht mehr und schon bald wird neben den Bussen ein „Dampfross“ auf der Strecke verkehren – ein Regierungsprojekt sieht die Verbindung zwischen Antalya und Kappadokien mittels Eisenbahnschienen bis zum Jahr 2017 vor. Dann werden die fliegenden Händler mit ihren frischen Sesamringen, die sie den Gästen zu den Fenstern der Reisebusse hinaufreichen sich neue Wege des Handelns einfallen lassen müssen.

Auf der Fahrt über den Alacabel Pass erreichen die Reisenden die Hochlandebene von Konya und damit auf 1825 Metern den höchsten Punkt des nördlichen Gebirges. „Diese Steinwüste“, wie der Schriftsteller Karl May jene felsige Landschaft bezeichnete, geht auf den Göttervater Zeus zurück, der sich gemäß der griechischen Mythologie in Gestalt eines Stieres in die Göttin Europa verliebte. Sie jedoch erwiderte seine Liebe nicht, woraufhin der weiße Stier so zornig wurde, dass durch sein Beben das Taurusgebirge entstand.

Mystische Gesteinsformationen und der erloschene, schneebedeckte Vulkan Hasan Dagi ziehen vorbei. In dieser kurzen Entfernung zwischen Meer und Gebirge finden Türkei-Fans zweierlei vor – den morgendlichen Strandspaziergang und sportliches Skifahren auf 3000 Metern Höhe auf den Gebirgszügen rund um den Hasan-Berg (zweithöchste Berg der Türkei mit 3900 Metern). „Der Berg ist als Skizentrum voll erschlossen und bis Anfang März schneesicher. Viele machen einen Abstecher von der türkischen Riviera ins nahe Skigebiet“, so der Reiseleiter.

„Der höchste Gipfel ist der Berg Ararat mit 5165 Metern, auf dem die Arche Noah strandete. Weitere fünfzehn Berge erreichen eine Höhe von über 3000 Metern, zwölf davon sind schneebedeckt“, begeistert der Reiseleiter seine Gäste. Neben der historischen Route der Seidenstraße wechseln sich Gesteinsformationen mit Bananen- und Orangen-Gewächshäusern oder Granatapfel-Plantagen ab. „Die kleinen Bananen sind sagenhaft süß“, so der Reiseleiter. „Wir Türken essen mehrere davon als Zwischensnack hintereinander.“ „Stimmt genau“, so ein Gast, der eine Traube in die Höhe hält. „Genauso süß wie Schokolade, aber tausendmal gesünder.“

Konya – Das Tor nach Kappadokien

Die Einfahrt nach Konya, der ehemaligen seldschukischen Hauptstadt mit ihrer Stadtgründung im 13. Jahrhundert säumen Tulpenrabatten. Was es mit diesen farbenfrohen Frühblühern auf sich hat, erläutert Reiseleiter Murat gern: „Die Tulpe ist die Nationalblume der Türkei, schauen Sie mal, wir trinken unseren Chay sogar aus tulpenförmigen Gläsern.

Das heutige Konya als Industriestadt produziert neben solchen Haushaltwaren auch Möbel und Nudeln, die Sie in Deutschland kaufen können. Unsere Partnerstadt Köln, dort fährt gerade die alte Straßenbahn vorbei, hat Konya diese Tram übergeben“, verweist Murat auf die guten deutsch-türkischen Beziehungen.

So vermischt sich hier vieles. Historisches mit Modernem und Traditionellem. Einerseits zeigt sich die zentral-anatolische Stadt mit vielen praktizierenden Moslems konservativ, als Universitätsstadt mit drei Universitäten andererseits weltoffen. Aufgrund dieser verschiedenen Gesichter und der Verweise auf christliche und islamische Ursprünge ist Konya heute Anziehungspunkt für Menschen aus aller Welt.

Zeit der Schamanen, des Islam und des Christentums

In Konya vermischen sich Glaubensrichtungen aus verschiedenen Epochen. Sie reichen zurück bis zum Apostel Paulus und dem Heiligen Barnabas, unter denen der Ort zu einer der größten christlichen Gemeinden heranwuchs und zu den Lehren des Mönchs Mevlana Dschalak ad-Din Rumi (1207- 1273), dem Begründer des Mevlevi-Ordens und Anhängers des Sufismus, der die Tradition von Großzügigkeit und Menschlichkeit verkörperte – der das Schamanentum mit dem Islam in Einklang brachte.

Nach dem Motto seiner sieben Ratschläge, wie „Sei wir ein Meer bei Toleranz, sei wer du bist“, oder „Wertschätze das Erschaffene – den Menschen, die Tiere, die Natur“ leben bis heute Zigtausende.

Geistesgut und Schätze aus jenen Zeiten versammeln sich heute im Kloster der tanzenden Derwische, dem „Mevlana Müzesi“. Heiligtum und Klosteranlage beherbergen zudem die ehemaligen Zellen, in denen die Mönche ihre Zeit dem Studium der ethischen Literatur im Sinne Mevlanas widmeten. Daneben zeigt das Museum auf einer ehemaligen Tanzfläche das Wirken der Mönche nach der Philosophie von Meditation in Bewegung, die auf das 14. Jahrhundert zurückgeht.

Mit seinem 800. Geburtstag beging die Türkei das Mevlana-Jahr zu Ehren des Mönchs. An sein reich verziertes Grabmal, das in der Moschee mit dem grünen Minarett liegt, pilgerten im Jahr 2007 Menschen aus aller Welt. Das Mausoleum mit seinen zwei Turbanen zeugt von der hohen Bedeutung des Verstorbenen, der noch über dem ersten Sultan stand.

Ein Rundgang über das Areal des Wallfahrtsortes führt über einen Mosaikboden aus dem 16. Jahrhundert zu originalen Ausstellungsstücken, wie einem Tragegurt, einem Gewand, einem Betstuhl oder einer nach Weihrauch duftenden Schatulle, die einen Teil des Bartes des Mohamed erhält. Besucher atmen vor dem Relikt aus historischer Zeit die „heilige Schrift“ ein und spüren bis heute im vielfach praktizierten Ritual dem Glauben nach.

Einen weiteren Bogen ins Heute spannt Reiseleiter Murat seinen Gästen mit dem Besuch des Cultur Centers „Motif“, in dem in einer unterirdischen Höhle ein Teil des traditionellen Glaubens türkischer Geschichte stattfindet. In der siebenteiligen Zeremonie symbolisieren die Tanzenden Derwische mit der rechten, gen Himmel gerichteten Hand das göttliche Empfangen. Mit der nach unten geneigten Hand verweisen sie auf die Abgabe an das Volk der ihnen erwiesenen Wohltaten.

In den Drehungen von rechts nach links wird die herzliche und liebevolle Umarmung der Menschen und der Erschaffenen allgegenwärtig: „Gott ist überall. Wohin ihr euch dreht, dort ist Gottes Gesicht, denn Gott ist der Pfleger, der Weise.“

Türkei-Informationen:

Die Nationalblume, die Tulpe stammt aus Zentralasien bevor sie ihren Weg in die Türkei fand. Sie ist Sinnbild für Leben und Fruchtbarkeit (Quelle: Planet Wissen)

Wie kommt man hin:

Von München mit dem Flugzeug nach Antalya, zum Beispiel mit der Lufthansa-Tochter Freebird. Ab Antalya führen geplante Rundreisen mit deutschsprachigen Reiseleitern zum Beispiel von RSD durchs Land.

Zu Beginn der Sema-Zeremonie legen die Mönche ihr Totenhemd ab, was so viel bedeutet, wie: Ich selbst habe auf der Welt keine Bedeutung, denn es geht einzig darum, im Einklang mit Gott zu sein. „Betrachten wir die Sema wissenschaftlich, so sehen wir, dass die Drehung eine Grundbedingung ist. Jede Struktur beinhaltet Atome, in denen sich Elektronen und Protonen drehen, die eine gemeinsame Ähnlichkeit zwischen den Wesen darstellen: vom kleinsten Hauch bis zu den fernen Sternen.

Die Menschheit dreht sich natürlich und unbewusst, so wie die sich drehenden Atome in ihrer eigenen Struktur, der Blutkreislauf im Körper, die Erschaffung von Erde zu Erde, von Staub zu Staub.“ (Zitat Cultur Centrum Motif)

„Tesekkür ederim – ich bedanke mich. Für Ihr bisheriges Interesse“, schließt Reiseleiter Murat die erste Etappe auf dem Weg von Antalya nach Kappadokien ab und gibt Aussichten für den kommenden Tag, an dem die Gruppe in aller Herrgotts-Früh in Richtung Feen-Kamine reisen wird.

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