Gartentherapie für Menschen mit Demenz

Gartentherapie? Neumodisches Zeug! Wer will schon im hohen Alter noch im Garten arbeiten? Keiner! Früher hat man zwar gerne im Garten gearbeitet, aber irgendwann ist auch mal gut. Viel zu anstrengend! Schön ist es ja schon, wenn alles wächst und man die eigenen Himbeeren ernten kann. In der Dementenbetreuung bekommen diese Gedanken wieder Bedeutung. Betreuende haben immer öfter Gelegenheit, ihrer Gartenliebhaberei einen neuen, sozialen Sinn zu geben: Gartentherapie gibt es jetzt sogar schon als Studiengang.

„Ich hab´ kein Durst!“ „Aber Sie müssen trinken, Frau Polifka!“ „Nee, ich hab kein Durst, warum sollte ich trinken?“ „Naja, um den Garten da oben eine bisschen zu bewässern! Sie wissen doch, da wächst nix, wenn alles trocken ist!“ „Ach,“ seufzt die Bewohnerin, „den Garten!“ sagt sie schwelgend mit langgezogenem „a“. Sie ist schon bei einem ganz anderen Garten, als bei dem, den ich meinte, ihr Gehirn.

„Gartentherapie“ kann man das nicht nennen, was ich eben gemacht habe, aber es ist meist der Anfang eines langen Trink-Dialogs. Selten, dass das Wort „Garten“ bei älteren Menschen keine Assoziationen hervorruft: „Damals im Garten meiner Tante…“, „Wir haben immer auf dem Land gewohnt…“. Irgendwo im Leben eines Menschen verbirgt sich doch immer ein Garten!

Gartentherapie als Angebot im Seniorenheim

Gartentherapie gehört unter dem Namen „Sinnesgarten“ in einigen Ländern Europas zu den Konzepten einer verbesserten Angebotspalette in Seniorenheimen und bewährt sich in der gerontopsychiatrischen Betreuung. An der Universität Wien gibt es sogar einen Studiengang „Gartentherapie“ und in Deutschland sind in letzter Zeit einige neue Bücher zu diesem Thema erschienen.

Demenzkranke Menschen zu aktivieren heißt, mehr als in anderen Betreuungsbereichen, in ihnen einen emotionalen Punkt zu entdecken, um sie motivieren zu können. Da sie aus kaum einem anderen Grund vom Tisch aufstehen, aus ihrer gewohnten Umgebung herausgehen, sind Betreuer fast immer darauf angewiesen, einen „guten Grund“ zu haben, warum der Bewohner jetzt mitgehen sollte.

Gartentherapie könnte ein solcher „guter Grund“ sein. Nicht etwa, weil Bewegung gut tut, frische Luft gesund ist oder in der Erde buddeln die haptischen Sinne anregt. Vielmehr hat Gartentherapie das Potential, unterbewusste Gefühle zu wecken, da nicht nur die Sinne sehr vielfältig angeregt und Erinnerungen sehr archaisch aktiviert werden, sondern weil der Dialog im Garten viele Interessen des Betreuers selbst bedient.

Gartentherapie freut auch die Betreuer

Menschen mit Demenz sind sehr sensibel auf den persönlichen Zustand der Betreuer. Wenn der Betreuer ein Thema gefunden hat, in dem er sich wohlfühlt und aufblüht, hat auch das Beschäftigungsangebot die größtmöglichen Chancen, von Menschen mit Demenz angenommen zu werden. Der Schlüssel zum Menschen mit Demenz liegt meist in der Echtheit des Interessengebiets des Betreuers zusammen mit dem Anknüpfungspunkt im emotionalen Bereich des Bewohners.

Das gibt beiden Parteien Kraft und Mut, sich in die Aktivität zu begeben. Gartentherapie beinhaltet all die sinnvollen Komponenten, die aus der heutigen Sicht für die Betreuung von Menschen mit Demenz relevant sind: Sinnesanregung und körperliche Betätigung, Biografiearbeit, soziales Miteinander, Wohlfühlen, Kommunizieren. Vom unruhigen Bewohner bis zum Bettlägerigen können über Gartentherapie alle angesprochen werden. Mitarbeiter, die an diesem Angebot beteiligt sind, profitieren meistens ebenfalls.

Viele Bewohner hatten früher einen eigenen Garten, der fester Bestandteil ihres Alltags war. Jetzt gilt es nur, dem Arbeitsamen, Fleißigen keine Bürde mit dem Garten aufzuerlegen und dem Trägen keinen Druck zu machen. Der Spaß am Garten steht im Vordergrund und bringt zudem Abwechslung, Gesprächsstoff und Erträge, die als Material für weitere Beschäftigung und Dialoge dienen.

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