Frauen hinter der Kamera: Sie sehen und fotografieren anders

Frauen sind aus der Fotografie nicht wegzudenken. Frauen vor der Kamera. Und Frauen, die mit der kompakten Digitalkamera den Nachwuchs ablichten. Aber wie steht es um die Frauen, die "ernsthafte" Fotografie betreiben? Frauen, die sich auch hinter eine Spiegelreflexkamera trauen? Lesen Sie hier ein Interview mit der Fotografien und Autorin Almut Alder zum Thema "Das weibliche Auge - Anders sehen, anders fotografieren".

Frauen und Technik, ein alt bekanntes Vorurteil. Wie viel Wahrheit ist – zumindest für den Bereich Fotografie – dran? Wie nutzen Frauen bei der Fotografie die Technik?

Adler: "Die alt bekannten Vorurteile kennen wir ja aus allen Bereichen, nicht nur in der Fotografie. Frauen haben eine andere Herangehensweise beim Fotografieren, weil sie Technik anders begreifen, aber nicht unbedingt schwerer kapieren. Frauen nutzen die Technik in learning-by-doing, sie probieren herum und zwar sehr zielstrebig.

Männer experimentieren zu Anfang mehr, das machen Frauen erst später. Frauen haben aber heute die Angst vor der Technik weitestgehend überwunden, speziell die junge Generation. Sie nutzen das Erlernte oft auch, um sich ein 2. Standbein mit der Fotografie aufzubauen, oder sich ganz dem Beruf der Fotografin widmen."

Die Geschichte der Fotografie verweist die Frau gerne auf die Seite vor der Kamera. Wie steht es mit der Frau hinter der Kamera in der Geschichte der Fotografie?

Adler: "Das war damals ein klarer Standpunkt, der Mann stand Regie anweisend hinter der Kamera und die Frau posend davor. Frauen konnten damals hauptsächlich mit Schönheit Geld verdienen, nicht mit ernstzunehmenden Berufen – noch dazu in der Männerdomäne Fotografie.

Frauen hinter der Kamera waren noch vor 50 Jahren ein seltenes Exemplar Mensch. Prominente Vorreiterinnen waren die deutsche Fotografin Lotte Jakobi, deren Stil es war, den Stil der Menschen zu fotografieren. Oder die deutsch-französische Magnum-Fotografin Giséle Freund, die Kriegberichterstatterin Gerda Taro, die bei einem Einsatz ums Leben kam, oder unsere politisch umstrittene, aber bahnbrechende Leni Riefenstahl.

Heute gibt es weltberühmte Fotografinnen wie Annie Leibowitz, Bettina Reims, Gabo, oder Herlinde Koelbl – doch diese Frauen stellen immer noch eine Minderheit im Fotobusiness dar."

Sind die aktuellen Digitalkameras so entwickelt, dass Frauen damit gerne fotografieren? Was sollten die Hersteller (noch mehr) beachten, um der weiblichen Art zu fotografieren gerechter zu werden?

Adler: "Gerade die Digitalfotografie ermutigte Frauen zu fotografieren. In den letzten zwei Jahren hat das Interesse an Fotografie bei den weiblichen Fotografinnen um 30 % zugenommen. Das beweist doch, dass Frauen zunehmend Sinn für Technik entwickeln und sich auch zunehmend dafür interessieren.

Dennoch, wenn Frauen Kameras entwickeln würden, dann hätten sie nur halb so viele Funktionen und würden genauso gute Bildqualitäten liefern. Weniger ist oft mehr, das sollten Kamerahersteller einmal beherzigen – sie würden damit einen großen Markt erobern, vor allem einen weiblichen."

Frauen agieren aus dem Bauch heraus – noch so ein Vorurteil. Wie sieht es mit der weiblichen Art des Fotografierens unter dem Aspekt Intuition aus?

Adler: "Aus dem Bauch heraus zu fotografieren würde eine hübsche weibliche Perspektive ergeben! Spaß beiseite, aber was ist schlechter daran, als aus dem Kopf heraus zu fotografieren? Frauen sehen nicht anders als Männer, sie sehen nur etwas anderes, das hat etwas mit Intuition zu tun und die ist nun mal eher weiblich.

Wie schon erwähnt, Männer experimentieren gerne und Frauen gestalten gerne ihre Bilder. Zudem gibt es auch typische Genres für Frauen – Kinder-, Haustier- und Pflanzenfotografinnen, Portrait, Stillleben und Sachfotografie.

Sie bevorzugen eher das Studio, als mit kiloschwerer Ausrüstung durchs Gelände zu robben, oder sich womöglich in Kriegsgebieten aufzuhalten. Männliche Genres wären eher Reportage-, Sport-, Landschaft-, Architektur- und Tierfotografie."