Fernsehen und kognitive Fähigkeiten: Das Gehirn lernt nicht aus Vorstellungen
Selbst wenn Sie sich etwas merken, was Sie im Fernsehen sehen, sie erleben es nicht. Das Gehirn entwickelt sich jedoch am besten über sinnliches, emotionales und kognitives Erleben. Wann haben Sie das letzte Mal Schnee gegessen? Die kalten Kristalle an den Lippen gespürt, gemerkt, wie wenig Wasser aus einem großen Biss schmilzt?
Das Gehirn lernt nicht aus Vorstellungen. Es kann sich nur vorstellen, was es schon einmal gelernt hat. Fernsehen sind wiederholte immer wieder abgespulte Bilder und hat kaum Auswirkungen auf die Fähigkeiten des Gehirns. Fernsehen als Denksport zu sehen ist wie zu denken, dass man abnimmt, wenn man Sportlern zuschaut.
Um die Demenz zu verstehen und zu lernen damit umzugehen und im besten Falle in Zukunft dagegen anzugehen, kann man Fernsehen höchstens als das nutzen, was es nur sein sollte: Ein Übermittler, ein Medium. Das Fernsehen vermittelt jedoch so viele negative Gedanken, dass es besser wäre, wir würden es zum Fenster hinauswerfen.
Wie auch die negativen Gedanken, die unser Gehirn demotivieren und belasten. Das Problem Demenz ist natürlich nicht auf das Fernsehen zurückzuführen. Das wäre ja zu einfach. Wir können es aber auch nicht als lästige Krankheit banalisieren. Es ist ein Problem der heutigen Zeit, nicht wie eine Krankheit eindämmbar, nicht wie eine Krankheit behandelbar.
Die Menschen sind krank im Sinne der WHO, weil sie aufgrund der Demenz-Symptome nicht überlebensfähig sind. Die Regeln und Wahrnehmungsfähigkeiten nach denen unsere Welt aufgrund des funktionsfähigen Gehirns besteht, werden durcheinandergebracht, über den Haufen geschmissen, völlig ad absurdum geführt.
Sowohl Menschen mit Demenz als auch ihr gesamtes Umfeld werden damit konfrontiert, dass Überleben lange nicht mehr vom uns bekannten funktionablen Gehirn abhängt. Menschen mit Demenz können lange leben. Die Krankheit, die so schnell frappierende Defizite des Menschseins aufweist, lässt einen Menschen trotzdem lange am Leben.
Es ist, als ob wir alle etwas zu lernen hätten von der Demenz. Und sie berührt uns. Wir haben es hier mit lebenden Menschen zu tun, mit unseren Müttern und Schwestern, Brüdern und Vätern.
Fernsehen ist kein Denksport
Fernsehen ist kein Denksport, wir können uns emotional zu leicht davon abschotten. Wir haben die Wahl, Kraft unserer Vorstellung Mitgefühl oder Liebe, Angst und Sorge zu erleben meinen. Das ist nicht die Kraft, die unser Gehirn fördert. Das Gehirn ist meist aus einer Notwendigkeit heraus motivierbar, etwas zu entwickeln.
Im Fernsehen, diesem Kasten in unserem Wohnzimmer entstehen Notwendigkeiten nicht wirklich. Demenz hat viel mit dieser Unfassbarkeit zu tun und wir sind im Angesicht der steigenden Anzahl von Menschen mit Demenz auf der ganzen Welt angeregt, unsere fassbare, fühlbare und sinnliche Welt zu überdenken, zu hinterfragen, zu gestalten.
Dialoge außerhalb des Fernsehens
Wichtig sind für uns Menschen die Dialoge. Nicht umsonst heißt es: „Ohne Du gibt es kein Ich. Du und Ich ergeben spontan das Wir.“ Wir sind als Gemeinschaft und als Individuen für unsere Welt verantwortlich. Fernsehen hilft uns dabei nicht, denn wir können mit dem Fernseher kein Wir aufbauen, auch wenn es uns das vorgaukelt. Das Trugbild ist so komplex, dass wir meinen könnten, es funktioniere. Tut es aber nicht.
Haben Sie nicht auch schon gemerkt, wie rapide die Gehirnfunktionen bei alten Menschen bei zu viel Fernsehen abnehmen? Das gilt es zu beobachten, wie so vieles im Umgang mit Demenz. Ds Beste sind die persönlichen Dialoge, die von positiven Emotionen angetrieben werden. Haben sie schon einmal zwei alte Damen im Altenheim miteinander spazieren gehen sehen, die meinen, sie seien Schwestern. Diese Geborgenheit, diese Wärme im Dialog macht Freude, auch wenn es „nicht stimmt“.
Wie können wir dauernd fernsehen und wissen, dass es nicht stimmt, uns jedoch über die Unstimmigkeiten, die Demenz Symptome mit sich bringen ärgern? Dann setzen wir doch lieber ein, was wir durchs Fernsehen noch am ehesten lernen: Uns über die Trugbildhaftigkeit hinwegsetzen und das Positive genießen, was sie uns vorgaukeln. Dann sind wir wenigstens ein Schrittchen weiter im Umgang mit Demenz.
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