Es ist nicht immer sittenwidrig, wenn Kinder für die Eltern bürgen

Häufig stellen deutsche Gerichte Sittenwidrigkeit fest, wenn Kinder für Verbindlichkeiten Ihrer Eltern bürgen. Insbesondere gilt dies dann, wenn diese ihre eigenen Möglichkeiten übersteigen. Als gefährlich entpuppte sich eine Bürgschaft für einen Studenten, dessen Vater ein mittelständisches Unternehmen führte. Was bedeutet das für Sie?

Beweislastumkehr bei persönlicher Verbindung

Grundsätzlich vermuten Gerichte die Unwirksamkeit einer Bürgschaft, wenn ein Bürge finanziell überfordert wird und dem Schuldner nahe steht. Dies führt zu einer Beweislastumkehr. Die Bank muss zwar nicht beweisen, dass der Bürge nicht finanziell überfordert wurde, doch muss sie beweisen, dass die Bürgschaft die Folge einer rationalen Entscheidung war. Nutzt etwa der Darlehensnehmer die Willensschwäche des Bürgen/ Mithaftenden in "sittlich anstößiger Weise" aus, so ist dessen Erklärung nichtig (BGH, Az. XI ZR 539/07).

Anders war dies im Falle eines Studenten, der seinerzeit für einen Betrag von 100.000 DM gebürgt hatte (BGH, Az. IX ZR 135/96). Hier verneinte das Gericht zwar nicht eine gewisse emotionale Notlage, hob aber zugleich das eigene wirtschaftliche Interesse des Studenten und seine Position in der Firma hervor. Für die Richter kam damit weder eine wirtschaftliche noch eine emotionale Überforderung in Betracht.

Interesse und finanzielle Möglichkeiten vernichten Sittenwidrigkeit

Der Bundesgerichtshof sah den Studenten durch seinen erheblichen eigenen Verdienst wirtschaftlich in der Lage, die Bürgschaft zu tragen. Er war auch so weit in das Unternehmen eingebunden, dass er an Verhandlungen teilgenommen hatte und an wichtigen Entscheidungen beteiligt war. Er besaß zudem Kontovollmacht. Außerdem erwartete das Gericht einen "zusätzlichen Vermögenserwerb" des Studenten durch die anstehende Übergabe des Unternehmens an seinen Bruder. Es war ihm also sowohl finanziell möglich, als auch in seinem Interesse, die Bürgschaft zu übernehmen.

Zwar hatte der Vater nach einer Bürgschaft verlangt, doch war der studierende Sohn weder durch unzulässige Mittel beeinflusst worden, noch waren ihm wichtige Details verschwiegen worden. Daher sah das Gericht die Bürgschaft nicht als sittenwidrig an, so dass der Student für den Betrag, für den er gebürgt hatte einstehen musste.

Die experto-Redaktion meint: Nirgends ist es so wichtig wie bei der Bürgschaft, privates und geschäftliches zu trennen, und wohl nirgends ist es so schwer. Denken Sie daher auch bei der Übernahme einer Bürgschaft wirklich an den schlimmsten Fall, dass Sie für den Kredit für den Sie gebürgt haben, einstehen müssen. Wie groß ist Ihr Schaden und was sind die Folgen, wenn die Bank im Zweifel bei Ihnen zwangsvollstreckt?

Bei der Berechnung finanzieller Überforderung werden zwar eigene Darlehensschulden berücksichtigt, jedoch kein Unterschied zwischen verschiedenen Vermögensarten (z. B. Geldvermögen und Immobilien) gemacht. Beachten Sie, dass bei der Berechnung finanzieller Überforderung stets das Vermögen zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft herangezogen wird.