Dürfen Pflegeheime die Begleitung zum Arzt dem Bewohner berechnen?

Die Begleitung zum Arzt eines Pflegeheimbewohners ist keine zum "Gesamtpaket" der allgemeinen Pflegeleistungen gehörende Leistung und darf von dem Pflegeheim dem Bewohner in Rechnung gestellt werden. Das entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 09.07.2012- 6 S 773/11. Ist der Bewohner Sozialhilfeempfänger, so hat die Sozialhilfe die Kosten zu tragen.

Die Kernaussage dieses vom VGH Baden-Württemberg genannten Urteils ist, dass die Heimaufsicht einem Heimträger nicht vorschreiben darf, dass er Heimbewohner als allgemeine Pflegeleistungen (Regelleistung) zum Arzt begleiten lässt. Unabhängig davon zählt der Rahmenvertrag für vollstationäre Pflege für das Land Baden-Württemberg eine Begleitung zum Arzt nicht zu den allgemeinen Pflegeleistungen und kann daher dann dem Bewohner in Rechnung gestellt werden.

Im vorliegenden Fall betreibt die Klägerin ein Heim der stationären Pflege. Ihre Heimverträge nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) erklären auch Regelungen des "Rahmenvertrags für vollstationäre Pflege gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für das Land Baden-Württemberg" vom 12. Dezember 1996 (mit späteren Änderungen) für verbindlich. In diesem Rahmenvertrag ist geregelt:

…das Verlassen und Wiederaufsuchen der Pflegeeinrichtung; dabei sind solche Verrichtungen außerhalb des Pflegeheimes zu unterstützen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung notwendig sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen erfordern (z. B. Organisieren und Planen des Zahnarztbesuches).

Die Klägerin war der Auffassung, dass der Besuch des Arztes nicht unter diese Regelung zu subsumieren ist und berechnete diese Leistungen nicht als Regelleistungen. Das zuständige Landratsamt ordnete unter Hinweis auf die nach Heim- und Rahmenvertrag zu gewährleistenden "Hilfen bei der Mobilität" an, die Klägerin habe die Arztbegleitung als Regelleistung sicherzustellen und nicht mehr als Sonderleistungen abzurechnen.

Lassen Sie die Auslegung der Rahmenverträge überprüfen

Das zuständige Verwaltungsgericht bestätigte die Auffassung des Landratsamtes. Hiergegen richtete sich dann die Berufung der Klägerin und hatte vor dem VGH damit Erfolg, welches das Urteil des VGH aufhob. Der VGH stellte in seinem Urteil fest:

  • Das Landesheimgesetz (LHeimG) ermächtige die Heimaufsichtsbehörde schon nicht, Pflichten aus einem Heimvertrag i. S. des WBVG hoheitlich durchzusetzen
  • Behörde darf lediglich Pflicht zur Begleitung bei Arztbesuchen vorschreiben, nicht jedoch gesonderte Entgelte hierfür untersagen
  • Rahmenvertrag beinhalte keine Verpflichtung zur Begleitung von Heimbewohnern zum Arzt ohne gesondertes Entgelt
  • Aus dem Rahmenvertrag ergibt sich aber auch keine Verpflichtung des Heimträgers, Heimbewohner ohne gesondertes Entgelt zum Arzt begleiten zu lassen

Wegen der Bedeutung des Falles ließ der VGH ausdrücklich die Revision beim Bundesverwaltungsgerichts zu. Es bleibt also erstmal abzuwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht diesen Fall auslegt. Pflegewohnheime sollten trotzdem in Folge dieser Rechtsprechung ihre bisherige Abrechnungspraxis bei der Begleitung zum Arzt überprüfen und insbesondere auch in den anderen Bundesländern die Auslegung der Rahmenverträge überprüfen zu lassen.