Der richtige Puls beim Sport? – Die Hottenrott-Formel

Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Kuno Hottenrott (Universität Halle) hat im Jahr 2008 eine Formel entwickelt, nach der man seinen optimalen Puls für den Sport ganz ohne wissenschaftliche Messverfahren ermitteln können soll.

Die meisten Faustformeln zur Ermittlung des optimalen Pulses beim Sport berücksichtigen weder den Trainingszustand, noch das Trainingsziel oder das Geschlecht. Dabei haben all diese Faktoren doch einen großen Einfluss darauf, ob jemand richtig trainiert.

Puls beim Sport: Variablen sind entscheidend

Wie wichtig Variablen sind, zeigt das folgende Beispiel: Der Puls einer Frau bei vergleichbarer Belastung ist höher als eines Mannes, weil Frauenherzen kleiner sind und nicht so viel Blut pro Herzschlag transportieren können. Allerdings nimmt die Differenz der Herzschläge pro Minute zwischen den Geschlechtern bei steigender Belastung immer mehr ab.

Puls beim Sport: Hottenrott-Studie

Dies ist das Ergebnis einer Studie, die Hottenrott in den Jahren 2007 und 2008 mit 38 weiblichen und 53 männlichen Marathonläufern durchgeführt hatte. So lag der Unterschied zwischen Männern und Frauen im Grundlagenbereich („Wohlfühltempo“) noch bei durchschnittlich 10 bis 15 Pulsschlägen pro Minute, im Schwellenbereich betrug die Differenz allerdings nur noch 2,9 Schläge in der Minute.

Doch auch zwischen den einzelnen Sportarten stellten Hottenrott und sein Team Unterschiede fest: Die Herzfrequenz z. B. eines Radfahrers am Limit ist deutlich niedriger als die eines Läufers. Weitere Faktoren, die eine Rolle spielen, sind Alter, Trainingsziel und Fitnesszustand. Anhand dieser Formeln entwickelte Hottenrott eine Formel, die verglichen mit wissenschaftlichen Verfahren erstaunlich präzise Werte für die jeweiligen Trainingsbereiche liefert.

Den optimalen Puls beim Sport berechnen: Die Hottenrott-Formel

Hier die vollständige Hottenrott-Formel für Läufer:

Trainings-Herzfrequenz = Maximale Herzfrequenz (HFmax) x 0,7 x Fitnesslevel (LFi) x Ziel (Tzi) x Geschlecht (GFi) x Sportartfaktor (SPi)

Index:

  • HFmax = maximale Herzfrequenz. Sofern man sie kennt, sollte man hier seine maximale Herzfrequenz eintragen. Ansonsten sollte man sich laut Hottenrott mit der Formel 208 minus 0,7 x Lebensalter behelfen.
  • LFi = Leistungsfaktoren. Einsteiger setzen 1,0 ein, Fitnesssportler 1,03, ein Leistungssportler 1,06.
  • TZi = Trainingsziel. Fettstoffwechseltraining erhält eine 1,0; Herzkreislauf-Training eine 1,1; intensives Ausdauertraining eine 1,2.
  • GFi = Geschlechtsfaktoren. Männer setzen hier immer die 1,0 ein. Bei Frauen ist die Intensität des Trainings entscheidend: 1,1 für eine niedrige, 1,06 für eine mittlere und 1,03 für eine hohe Intensität.
  • SPi = Sportartfaktor. Dieser ist beim Laufen immer 1,0.

Hottenrott-Formel: Beispiel

Zur Verdeutlichung noch ein Beispiel. Unsere Testperson ist weiblich, 35 Jahre alt, kennt ihre HFmax nicht, ist Fitnessläuferin und möchte ein intensives Ausdauertraining absolvieren. Ihre Trainingsherzfrequenz für dieses Vorhaben sähe dann wie folgt aus:

(208 – (0,7 x 35)) x 0,7 x 1,03 x 1,2 x 1,03 x 1 = 164 Schläge/min

Während die Hottenrott-Formel einen innovativen Ansatz zur Ermittlung der optimalen Trainingsherzfrequenz bietet, ist es wichtig, sie im Licht neuerer Forschungen und alternativer Methoden zu betrachten.

Neuere Entwicklungen in der Bestimmung der Trainingsherzfrequenz

Neuere Studien haben gezeigt, dass traditionelle Formeln zur Bestimmung der maximalen Herzfrequenz, wie die oft zitierte „220 minus Alter“-Formel, nicht immer genau sind. Eine verbreitete alternative Formel lautet „208 minus 0,7 x Lebensalter“. Diese wird als genauer für verschiedene Altersgruppen angesehen, da sie die Tendenz traditioneller Formeln korrigiert, die maximale Herzfrequenz bei jungen Menschen zu überschätzen und bei älteren zu unterschätzen.

Grenzen und Kritik an der Hottenrott-Formel

Obwohl die Hottenrott-Formel eine detaillierte Anpassung an individuelle Faktoren wie Fitnesslevel, Geschlecht und Trainingsziel ermöglicht, gibt es einige Kritikpunkte:

  1. Komplexität: Die Formel ist komplexer als andere Methoden, was ihre Anwendung für den durchschnittlichen Sportler erschweren kann.
  2. Allgemeine Anerkennung: Sie hat nicht dieselbe allgemeine Anerkennung wie einfachere, breiter angewandte Formeln erlangt.
  3. Praktikabilität: Für den alltäglichen Gebrauch könnten einfachere Methoden vorzuziehen sein.

Alternative Formeln und Methoden

Neben der Hottenrott-Formel und der traditionellen „220 minus Alter“-Methode gibt es andere Ansätze:

  1. 208 minus 0,7 x Alter: Diese Formel gilt als genauer für verschiedene Altersgruppen.
  2. American Heart Association Richtlinien: Diese empfehlen Zielherzfrequenzbereiche basierend auf einem Prozentsatz der maximalen Herzfrequenz, die je nach Alter und Aktivitätsintensität variieren.

Praktischer Vergleich und Empfehlungen

Für den durchschnittlichen Sportler oder Fitnessbegeisterten könnte die Wahl der Methode von den persönlichen Präferenzen und Zielen abhängen:

  • Einfachheit und Zugänglichkeit: Wenn Einfachheit und schnelle Anwendbarkeit Priorität haben, könnten Formeln wie „208 minus 0,7 x Alter“ oder die Richtlinien der American Heart Association besser geeignet sein.
  • Detaillierte Anpassung: Für diejenigen, die eine detailliertere und individuellere Herangehensweise bevorzugen, könnte die Hottenrott-Formel trotz ihrer Komplexität attraktiver sein.

Abschließend lässt sich sagen, dass es keine „Einheitslösung“ für alle gibt. Die Entscheidung sollte auf den individuellen Bedürfnissen, Zielen und der persönlichen Bereitschaft basieren, sich mit komplexeren Berechnungen auseinanderzusetzen. Unabhängig von der gewählten Methode ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und das Training entsprechend anzupassen.

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