Das homöopathische Mittel Veratrum album

Hinter dem harmlos klingenden Namen „weißer Nieswurz“, wie die Stammpflanze von Veratrum album auf Deutsch heißt, verbirgt sich eine hochgiftige Arzneipflanze, die ihre Wirksamkeit schon unter Hahnemann persönlich bei einer Cholera-Epidemie unter Beweis gestellt hat. Heute wird Veratrum album im Wesentlichen bei schweren Magen-Darm-Störungen wie Brechdurchfall, starken Kreislaufproblemen oder Schock eingesetzt.

Herkunft

Der weiße Nieswurz, oder auch weißer Germer, gedeiht bevorzugt in den Höhenlagen der Alpen, Apenninen und Osteuropas. Das Germergewächs kommt bis in Höhen von 2.700 Meter vor, wobei der Anteil toxischer Inhaltsstoffe mit der Höhenlage abnimmt. Die ganze Pflanze und insbesondere der Wurzelstock enthält ein hochwirksames Gift, welches zu Verdauungsstörungen, Krämpfen, Halluzinationen und Atemnot führt. Dazu kommt ein extremes Kältegefühl. Heute kommen alle Teile der getrockneten Pflanze in homöopathischen Zubereitungen zum Einsatz.

Potenzen und Darreichungsformen

Die am häufigsten genutzten Potenzen von Veratrum album sind D6 und D12. Aufgrund der enormen Giftigkeit der Stammpflanze sind alle Potenzen bis einschließlich D3 verschreibungspflichtig.

Krankheitsbilder und Einflussfaktoren

Alles, was mit Veratrum album zu tun hat, ist irgendwie extrem. Das gilt für die Symptome, das Verhalten der Patienten und die Krankheitsbilder:

  • heftige Magen-Darm-Beschwerden und Übelkeit
  • Kreislaufschwäche bis hin zum Kollaps
  • psychische Schwäche mit Hyperaktivität oder extremer Unsicherheit
  • Wahnvorstellungen und Manien

Die Kälte ist eines der typischsten Merkmale für einen Veratrum album-Patienten. Oft zeigen Nasenspitze und Atem physische Kälte an. Der Patient friert enorm und verlangt trotzdem nach gekühlten Getränken. Blaue Lippen, blasse Haut und kalter Schweiß verstärken den Eindruck. Auch die Seele wirkt kalt bis manisch durch Wiederholung bestimmter Aktivitäten oder Laute.

Anwendungsgebiete

Veratrum album ist ein sehr gezielt einzusetzendes homöopathisches Mittel, welches bei den folgenden Erkrankungen zum Einsatz kommen kann:

  • Starke Kreislaufbeschwerden: kalter Schweiß, starkes Herzklopfen, schwankender Blutdruck, Sehstörungen oder Schwindel, bis hin zur Ohnmacht
  • Brechdurchfall & Lebensmittelvergiftung: heftige Übelkeit, Erbrechen und Durchfall gleichzeitig, verbunden mit Kreislaufkollaps
  • Verstopfung: Stuhlverhalt vor allem bei Babys und Kleinkindern

Obwohl die Patienten frieren, verlangen sie nach kalten Getränken. Warme Getränke und das Aufwärmen über Decken oder Heizung vertragen sie nicht gut. Trotzdem sollten sie sanft aufgewärmt werden, weil Kälte die Beschwerden verschlimmert. Auch wenn die Patienten sehr ruhelos sind, ist Hinlegen die bessere Wahl.

Dosierung und Anwendung

Bei akuten Kreislaufproblemen wird Veratrum album in der Potenz D12 alle 15 Minuten verabreicht. Zu jeder Einnahme werden 5 Globuli gegeben, bis die Beschwerden sich bessern. Bei Brechdurchfall oder Lebensmittelvergiftung kommt ebenfalls D12 oder eine niedrigere Potenz wie D6 zum Einsatz. Angefangen mit 5 Globuli pro Stunde – aufgelöst in etwas Wasser – wird die Dosis bei einer leichten Besserung auf eine Gabe alle vier Stunden gesenkt.

Schwangerschaft, Stillzeit und Baby

In einer Potenz von D6 oder höher ist Veratrum album auch in der Schwangerschaft anwendbar. Starke Schwangerschaftsübelkeit und Erbrechen sowie Durchfälle sprechen oft gut auf das Mittel an. Gleiches gilt für die Anwendung bei heftigen Kreislaufproblemen mit starkem Schwindel bis hin zur Ohnmacht. Veratrum album kann dann auch einmal täglich in der Potenz D30 als Konstitutionsmittel verabreicht werden.

Babys bekommen den weißen Nieswurz dreimal täglich in D6, wenn sie unter Verstopfung und Stuhlverhalt leiden. Oft ist diese Verstopfung ein Teilsymptom von Dreimonatskoliken, verbunden mit Blähungen und starkem Schreien. Der Körper ist kalt und von kaltem Schweiß bedeckt. Nach dem Stuhlgang bessern sich die Symptome.

Nebenwirkungen und Vorsichtsmaßnahmen

In vielen Fällen kommt es bei der Einnahme von Veratrum album zu einer deutlichen Erstverschlimmerung. Diese müsste sich nach der zweiten oder dritten Einnahme legen. Bei Potenzen von D6 und höher bestehen keine Einschränkungen mehr aufgrund der Giftigkeit der Stammpflanze.

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