Champagner – nicht nur ein Apéritif
Natürlich lieben die Franzosen ihren Champagner als Apéro, zur blauen Stunde oder wenn es gilt, eine Dame zu erobern. Das Bild vom Champagner als Aphrodisiakum ist schon stereotypisch geworden. Dabei hat sich die Kombination von Champagner und Austern so fest in das öffentliche Bewusstsein eingebrannt, dass andere Kombinationsmöglichkeiten gar nicht mehr wahrgenommen werden.
Champagner ist aber mehr, als der unvermeidliche Auftakt für eine Liebesnacht oder zur Überbrückung der Wartezeit, bis man im Sternerestaurant an den Tisch geleitet wird – er ist vor allem ein vielseitiger Speisenbegleiter
Champagner ist in erster Linie Wein
Das wird leider oft übersehen. Bei Festlichkeiten spielt er deshalb höchstens eine Rolle als Begrüßungsgetränk, Weinfreunde weltweit spülen sich den Gaumen mit Champagner frei, bevor sie sich an die ernste Angelegenheit einer „echten“, mit anderen Worten: Stillweinprobe machen. Dabei beginnt jeder Champagner als still gekelterter Grundwein. Da er überwiegend weiß ausgebaut wird, teilt er die Affinität des Weißweins zu allen möglichen Meeresbewohnern, Süßwasserfischen, hellem Fleisch, (Wild-)Geflügel, Reisspeisen, Gemüse- und Nudelaufläufen.
Champagner kann mehr
Champagner begegnet und aber nicht nur als weiße Cuvée aus Chardonnay, Pinot-Noir und Pinot Meunier, sondern gerade in den letzten Jahren verstärkt als Rosé. Was beim Stillwein mit haut goût behaftet ist, erweist sich beim Champagner immer mehr als gewaltiger Vorteil. Denn Rosé-Champagner ist alles andere als ein Getränk für entscheidungsschwache Gastrobanausen. Er bereichert nämlich das Aromenspektrum der frischen, appetitanregenden weißen Champagner in Richtung einer tiefgründigen, kraftvoll-eleganten Burgunderaromatik, die von alters her die Nähe zu Wildgerichten sucht.
Auch das Auge bekommt über das lebhafte Sprudeln hinaus Farbakzente geboten, die sich sonst erst jenseits der Schlafzimmertür finden. Er gilt daher als der erotischste, verruchteste Champagner. Seine Wandlungsfähigkeit erstreckt sich aber noch weiter, denn nicht nur das aromatische Erbe der Rebsorten selbst verleiht ihm das Zeug zum Menubegleiter, sondern auch sein breites Spektrum an Süßegraden.
Kaum ein anderer Wein schafft es, sich von ultratrocken bis quietschsüß zu präsentieren, mal rassig und fordernd, dann wieder voluminös, freigebig und lasziv mundfüllend. Wer sich beim Champagner auf seine Eignung zum Begrüßungsschluck beschränkt, schneidet sich also eine Vielzahl an Variationsmöglichkeiten und somit an Genüssen ab.
Die Regeln für ein Champagnermenu
Die Kombination von Champagner und Speisen gehorcht den allgemeinen Geschmacksregeln. Dabei sind die wesentlichen geschmacksprägenden Eigenschaften des Champagners schnell genannt.
Der Süßegrad des Champagners
Ein Blick auf das Etikett verrät bereits einiges über den Süßegrad des Champagners. Handelt es sich um einen Champagner, der „Brut“ oder sogar „Extra Brut“ dosiert ist, eignet er sich naturgemäß zu anderen Speisen, als ein „Demi-Sec“ oder „Doux“. Je trockener der Champagner, desto eher wird man sich dazu entscheiden, ihn wie einen ähnlich gearteten Stillwein zu servieren.
Dabei gibt die Nähe zu den großen Weinen aus Chablis und dem Burgund reichlich Handhabe. Je süßer der Champagner wird, desto weiter rückt sein Handlungsfeld in den Bereich der Desserts und Käseplatten. Champagner, die mit einer nur leichten, fruchtigen Süße ausgestattet sind, empfehlen sich zu den pikanten Aromen der südostasiatischen Küche.
Der Rebsortenmix
Als nächstes spielt die Rebsortenzusammenstellung eine wichtige Rolle. Die meisten handelsüblichen Champagner sind ausgewogene Cuvées aus den drei Rebsorten Chardonnay, Pinot-Noir und Pinot Meunier und eignen sich deshalb als allrounder zu allen Speisen, deren Kombinationsmöglichkeiten nicht über andere Faktoren determiniert werden. Fast alle Champagnererzeuger haben aber auch Champagner im Programm, die von einer bestimmten Rebsorte dominiert werden.
Aus dem rebsortentypischen Aromenprofil ergeben sich zwanglos die Einsatzmöglichkeiten des Champagners. Blanc de Blancs aus der Region südlich von Epernay zeichnen sich dabei meist durch eine besonders hohe Mineralität und dramatische Säurestruktur aus. Chardonnays aus der Montagne de Reims sind dagegen würziger, bringen fruchtige und exotische Aromen mit und sind nicht so säurelastig.
Champagner, die sich aus den großen Pinotcrus zusammensetzen, zeigen das volle Programm dieser Edelrebe und können mit ihrer gewichtigen, weinigen Art selbst kräftigen Wildgerichten Paroli bieten.
Eine seltenere Form des rebsortendominierten Champagners ist der Meunier-Champagner. Diese Rebe eignet sich hervorragend als Partner für die beiden Gegenpole Chardonnay und Pinot-Noir, während ihr selbständiges Profil weniger of beachtet wird. Dabei kann ein meunierdominierter Champagner entzückende Kräuternoten entfalten, eine Leichtigkeit und Frische ins Glas bringen, die so recht eigentlich typisch für den Champagner ist. In Kombination mit kundigem Holzfassausbau wird ein solcher Champagner zum Joker für jede Tafel.
Wohlgemerkt: ein Champagner muss kein Blanc de Blancs oder Blanc de Noirs sein, um von einer bestimmten Rebsorte dominiert zu werden. Denn Champagner ist als Assemblagewein ein Produkt der besten Eigenschaften seiner Grundweine. Selbst ein relativ kleinerer Anteil eines bestimmten Grundweins kann die übrige Komposition beherrschen. Über das ob und wie entscheidet dabei der Kellermeister. Deshalb ist es wichtig, bei der Champagnerauswahl möglichst genau über das Produkt informiert zu sein.
Das Alter des Champagners
Ein manchmal vernachlässigter Punkt ist das Alter des Champagners. Wie beim stillen Wein entwickelt der Champagner im Laufe der Flaschenreifung spezifische Aromen, die sich auf die Kombination im Rahmen eines Menus auswirken können. Die meisten Champagner sind jahrgangslos, so dass nicht auf Anhieb erkennbar ist, wie alt der Champagner ist. In der Regel handelt es sich bei den im Verkauf befindlichen Champagnern aber um aktuelle Dégorgements, das heißt um Champagner, die bereits trinkfähig sind, aber am Anfang ihrer Entwicklung stehen.
Einfacher wird es bei Jahrgangschampagnern, bei denen sich leicht abschätzen lässt, wie lange sie bereits in der Flasche schlummern. Frühestens drei Jahre ab dem auf die Ernte folgenden Jahr darf ein Champagner verkauft werden, viele Häuser warten damit sogar vier bis fünf Jahre, manche noch länger. Am einfachsten ist es natürlich, wenn das Rückenetikett eine Angabe zum Dégorgierzeitpunkt enthält.
Harmonie oder Kontrast?
Wer die Parameter seines Champagners im Rahmen einer Probe selbst erkostet hat, kann sich schließlich an die Zusammenstellung mit den passenden Speisen machen. Bei der Frage Harmonie oder Kontrast gibt es zum Glück kein richtig oder falsch. Am schönsten ist es aber, wenn der Genießer von einer Kombination überrascht wird, weil er sie so noch nicht kannte oder nicht vermutet hätte, dass bestimmte Komponenten ein so schönes Geschmacksbild ergeben würden.
Das gelungene Champagnermenu
Der am weitesten verbreitete Champagner ist ein „Brut“ dosierter Mix aus den beiden roten Pinotrebsorten und Chardonnay – meist zu jeweils ca. einem Drittel. Diese Mischung ergibt runde, harmonische und ausgewogene Champagner ohne dominante Noten.
Am Anfang eines Champagnermenus steht natürlich der Magenöffner, am besten ein Champagner aus einer Großflasche (Magnum oder Jeroboam). Dieser Champagner kann als „Hintergrundchampagner“ während der gesamten Menufolge nachgeschenkt werden und sollte deshalb in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Er sollte „Brut“ dosiert sein und sich am unteren Ende der Skala bewegen, darf also ruhig mit einer gesunden Säure ausgestattet sein. Empfehlenswert und überhaupt nicht teuer sind die gehobenen Cuvées der kleineren Champagnerwinzer.
Der nächste Champagner sollte den unaufdringlich-luxuriösen Hintergrund für die jeweils zu betonenden Komponenten bilden, z.B. Spargelrisotto mit Safranfäden oder gebratene Garnelen mit Joghurt-Curry-Sauce.
Zu den nachfolgenden Gängen eignen sich dann die aromatisch feineren Champagner, die individuellen Merkmale eines bestimmten Jahres tragen aus anderen Gründen besonders säurelastig, weinig, oder aromenintensiv sind. Schöne Kombinationen ergeben sich dabei zum Beispiel zwischen schweren Butter- oder Sahnesaucen und rassigen Blanc de Blancs. Edelfische wie Seeteufel, Steinbutt, Wolfbarsch, Seezunge, aber auch Karpfen und Schleie rufen regelrecht nach reifem Jahrgangschampagner.
Zu Rosé sind Butter und Sahne nicht so sehr gefragt, die Tendenz geht vielmehr in die Richtung Wild, Waldpilze, Waldfrüchte, aber auch zu Thunfisch und Lamm. Coq au Vin passt ebenso gut dazu, wie kräftiges Pörkölt.
Vollreife Champagner mit einer Flaschenreife von mindestens zehn Jahren passen sehr gut zu lange geschmorten Fleischspeisen wie Rinderbeinscheiben, Ochsenschwanz, Kalbsbäckchen oder Lammhaxe und sie geben für zahlreiche Innereienspeisen das optimale Weinpendant ab.
Gegen Ende des Menus ist Vorsicht bei der Kombination mit Süßspeisen geboten. Empfehlenswert ist eine Kombination von süßem Champagner mit Bitterschokolade oder gebrannter Crème – wie für alle Weine gilt, dass der Champagner süßer sein sollte, als die dazu kombinierte Speise, sonst ergibt sich ein unschöner, saurer Kontrast.
Ein „Demi-Sec“ kann zum Abschluss sehr gut zu mildem Brie, Ziegenfrischkäse oder halbfesten Käsesorten bis hin zum Chaource oder Langres, den Hauskäsesorten der Champagne passen und eignet sich ebenso zu Sandgebäck und Biscuits.
Abschließendes zum Champagnermenu
Am wichtigsten ist es, beim Champagnerkauf oder bei der Champagnerauswahl die Eigenschaften des Champagners genau zu kennen oder sich erklären zu lassen. Nur dann ist auch gewährleistet, das aus dem Aromenfeuerwerk nicht ein Aromenfiasko wird.
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