Behinderungsbedingte Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen

Wenn aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit ein Familienmitglied eine Behinderung erleidet, werden häufig große Umbaumaßnahmen am Familienheim vorgenommen, um ein Weiterleben in den eigenen vier Wänden und so die Beibehaltung der gewohnten Umgebung zu ermöglichen. Hier erfahren Sie, wie Sie den Fiskus an solchen Kosten beteiligen können.

Änderung der Rechtsprechung

Bisher geht die Finanzrechtsprechung davon aus, dass Umbaumaßnahmen an einer Immobilie aufgrund einer körperlichen Behinderung nicht im Rahmen der außergewöhnlichen Belastung steuermindernd berücksichtigt werden können, weil durch die Umbaumaßnahmen auch ein Gegenwert geschaffen wird.

Da ein geschaffener Gegenwert grundsätzlich mit der steuerlichen
Absetzbarkeit einer außergewöhnlichen Belastung im Widerspruch steht,
ließen die Finanzgerichte bisher solche Kosten nicht zu einem
steuermindernden Abzug zu. So beispielsweise in einem älteren Urteil
unter dem Aktenzeichen III R 209/94. Hier ließen die Richter die
Ausstattung eines Einfamilienhauses mit einem Fahrstuhl und einer
behindertengerechten Bauausführung, wie der Einbau breiterer Türen und
eines größeren Bades, nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zu.

Diese fragwürdige Meinung ist jedoch mittlerweile Geschichte. Die Rechtsprechung hat sich zum Positiven geändert.

Positive Rechtsprechung

In einem ersten Urteil, mit dem der Wandel in der Rechtsprechung eingeläutet wurde, entschieden die Richter zunächst lediglich, dass Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses dann als außergewöhnliche Belastung steuermindernd absetzbar sein können, wenn sie so stark unter dem Gebot der ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt.

Mittlerweile hat die Rechtsprechung dies konkretisiert und lässt nun generell behinderungsbedingte Umbaukosten als steuermindernde außergewöhnliche Belastung zum Abzug zu. Wer daher bei diesem Punkt immer noch ein Problem mit dem Finanzamt hat, sollte sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofes unter dem Aktenzeichen VI R 16/10 berufen.

Darin wurde höchstrichterlich geklärt, dass Mehraufwand, der auf einer behinderungsgerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfelds beruht, stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit steht, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwert in Anbetracht der Gesamtumstände regelmäßig in den Hintergrund tritt.

Die Frage nach dem "Warum" ist egal

Deutlich und in erfreulicher Klarheit stellen die Richter in der vorgenannten Entscheidung sogar klar, dass es insbesondere nicht erforderlich ist, dass die Behinderung auf einen nicht vorhersehbaren Ereignis beruht und deshalb ein schnelles Handeln des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen geboten ist. Auch die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stellt sich in solchen Fällen nicht.

Um in der Praxis diese Rechtsprechung durchzusetzen, kann es im Streitfall erforderlich sein, dass ein Sachverständigengutachten eingeholt wird, in dem geklärt wird, welche baulichen Maßnahmen durch die Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines seiner Angehörigen veranlasst sind. Mittels des Gutachtens wird dann der entstandene Mehrbedarf, der steuerlich berücksichtigungsfähig ist, festgestellt.