Fragt man Bahnreisende nach ihrem Top-Frustfaktor, werden es wahrscheinlich nicht die steigenden Ticketpreise sein. Und auch nicht das undurchsichtige Tarifsystem. Ein Großteil der Bahnreisenden ist und bleibt frustriert von Verspätungen. Das können reguläre Bahn Verspätungen von 5 bis 10 Minuten sein oder die bombastischen Exoten von 90 Minuten aufwärts, die einen ganzen Tag ruinieren können.
Die Gründe bei der Bahn für Verspätungen sind vielfältig: Baustellen, Hitze, Kälte und natürlich Verzug beim betrieblichen Ablauf. Doch so undurchsichtig und frustrierend diese Gründe für den am Bahnsteig wartenden Fahrgast sind – so gerne man auf die Bitte um Entschuldigung seitens der Bahn "Nein!" gen Lautsprecher schreit – weit wichtiger ist es, seine Fahrgastrechte bei Verspätungen zu kennen.
Wann Fahrgäste ein Recht auf Entschädigung haben
Nach Paragraph 17 der Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) hat ein Reisender, der von einer Bahn Verspätung betroffen ist, und bei dem anzunehmen ist "[…] dass er wegen eines Ausfalls oder einer Unpünktlichkeit des […] Eisenbahnverkehrsunternehmens verspätet am Zielort ankommen wird" ein Fahrgastrecht auf Weiterfahrt in einem anderen Zug, auch in einem Fernverkehrszug, nach 20 Minuten Verspätung.
Ab einer Verspätung von 60 Minuten und einer zu erwartenden Ankunftszeit zwischen 0 und 5 Uhr morgens darf auch ein anderes Verkehrsmittel benutzt werden. Der Fahrgast hat ein Recht auf Entschädigung bis zu einem Betrag von 80 Euro.
Ausgenommen von der Haftung ist die Bahn, wenn die Verspätung durch den Reisenden selbst oder das Verhalten eines Dritten verursacht wird, sowie wenn "betriebsfremde Umstände"( § 17 EVO Abs. 3 Punkt 1) eintreffen sollten. Allerdings muss der Reisende davon rechtzeitig unterrichtet worden sein, was die Bahn im Regelfall auch macht. Sollte der Zug also stehen bleiben, weil auf der Strecke eine Kuh steht, kann der Fahrgast keinen Ersatz fordern.
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In diesen Fällen greift das Fahrgastrecht auf Preiserstattung
Doch damit sind die Fahrgastrechte noch nicht erschöpft. Laut einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (EG Nr. 1371/2007) umfassen die Fahrgastrechte bei einer Verspätung von mindestens 60 Minuten die Wahl zwischen:
a) "der Erstattung des vollen Fahrpreises unter den Bedingungen, zu denen er entrichtet wurde, für den Teil oder die Teile der Fahrt, die nicht durchgeführt wurden, und für den Teil oder die Teile, die bereits durchgeführt wurden, wenn die Fahrt nach den ursprünglichen Reiseplänen des Fahrgasts sinnlos geworden ist, gegebenenfalls zusammen mit einer Rückfahrt zum ersten Ausgangspunkt bei nächster Gelegenheit. Die Erstattung erfolgt unter denselben Bedingungen wie die Entschädigung nach Artikel 17;
b) der Fortsetzung der Fahrt oder der Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort bei nächster Gelegenheit; oder
c) der Fortsetzung der Fahrt oder der Weiterreise mit geänderter Streckenführung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen bis zum Zielort zu einem späteren Zeitpunkt nach Wahl des Fahrgasts."(EG Nr.1371/2007 Kapitel IV, Artikel 16)
In der Praxis bedeutet "Erstattung […] für den Teil oder die Teile der Fahrt die nicht durchgeführt wurden", dass die Bahn ab einer 60-minütigen Verspätung den Fahrpreis zu 25 Prozent erstattet, bei 120-minütiger Verspätung zu 50 Prozent. Bei Zeitkarten wie dem Schönes-Wochenende-Ticket oder der Bahncard 100 geschieht dies pauschal – bei Ersterem ist die Erstattung ab 60 Minuten Verspätung 1,50 Euro in der zweiten Klasse und 2,25 Euro in der ersten Klasse.
Bei der Bahncard 100 beträgt die Erstattung 10 Euro in der zweiten und 15 Euro in der ersten Klasse. Übrigens werden Erstattungen unter 4 Euro gar nicht erst ausgezahlt, Besitzer von Zeitkarten des Nahverkehrs müssen also mehrere Verspätungen geltend machen und einreichen. Den vollen Fahrpreis erhält man nur dann zurück, wenn man ab einer Verspätung von über 60 Minuten von der Reise zurücktritt.
Fahrgastrechte geltend machen – so geht’s?
Mal abgesehen von der problematischen Gestaltung der Erstattung – wenn man seine Fahrgastrechte geltend machen will, braucht man zuerst das Fahrgastrechte-Formular, dass man beim Zugpersonal, im Reisezentrum, oder hier erhält: Fahrgastrechte-Formular.
Dort trägt man alles zur Verspätung und dem davon beeinflussten Reiseverlauf ein. Ferner braucht man eine Bestätigung der Verspätung – entweder vom Zugpersonal oder im DB Reisezentrum. Danach erhält man sein Geld. Doch es gibt genug Ausnahmen.
Besitzt man ein Zeitfahrtticket wie die Bahncard 100 oder ähnliche, oder will man seine durch die Verspätung entstandenen Reisekosten gemäß §17 EVO geltend machen, muss man sich direkt an das Servicecenter Fahrgastrechte wenden. Dies geschieht über den Postweg.
Im ersten Fall muss eine Kopie der Zeitfahrkarte beigelegt werden und im zweiten Fall alle Belege der entstandenen Kosten. In beiden Fällen muss auch das vollständige Fahrgastrechte-Formular dazu gelegt werden. All das schickt man an:
Servicecenter Fahrgastrechte
60647 Frankfurt am Main.