Wenn alle Dämme brechen: Die zweite Phase des Trauerns meistern

Wenn der erste Stress, den der Tod eines nahen Angehörigen verursacht, nachlässt, beginnt im Prinzip der Prozess der wirklichen Trauer. Was vorher noch starr war, wird jetzt als Fülle an Gefühlen lebendig. Sie sind notwendig, um später den Verlust zu akzeptieren.

In anderen Kulturen erschreckt uns diese Trauerphase manchmal. Besonders in südlichen Ländern wird durch lautes Weinen, Schreien und Klagen den überbordenden Gefühlen Ausdruck verliehen. Das erscheint uns Mitteleuropäern oft dramatisch. Und doch zeigt es deutlich, was alles in einem Trauernden geschieht.

Wenn Sie gerade einen geliebten Menschen verloren haben, erscheint Ihnen diese Zeit ganz besonders schlimm. Sie sind verzweifelt. Sie sind wütend. Sie haben Schuldgefühle oder Angst, wie alles weitergehen soll. Vielleicht schämen Sie sich, weil Sie glauben, dass einige dieser Emotionen nicht angebracht sind. Zur Trauer gehört jedoch weit mehr, als traurig zu sein. Das erleben Sie, wenn Sie Ihren Schock hinter sich gelassen haben.

Ein Balanceakt zwischen innerem Zustand und den Erwartungen von außen

Es kostet Sie viel Kraft, einerseits die Gefühle auszuhalten und andererseits nicht zusammenzubrechen. Angehörige neigen leicht dazu, eine Art Normalität vorzutäuschen. Sätze wie „Die Zeit heilt alle Wunden“ können dazu führen, dass Sie sich abgesondert fühlen.

Für Sie als Trauernden ist es wichtig, alle Gefühle zuzulassen. Noch immer sind Ihr Körper und Ihre Seele stark belastet. Schlagen Sie in ein Kissen, wenn Sie wütend sind. Das verringert Ihre Spannung und baut Stresshormone ab.

Vielen Menschen hilft Musik. Sie berührt das Herz ganz direkt und lässt die Tränen fließen. Lassen Sie das einfach zu. Mit dem Weinen kommen auch Zeiten von Entspannung. Jede Emotion, die Sie jetzt erleben ist Ihre Emotion und damit auch richtig und wichtig.

Angehörige sollten besonders sensibel sein

Erlebt ein Trauernder die ganze Verzweiflung des Todesfalles, sollten Sie nicht versuchen, ihn mit Ratschlägen zu beruhigen. Seien Sie da und hören Sie zu. Das Gefühl, nicht alleine zu sein, ist eine wertvolle Unterstützung für den Trauernden. Bemühen Sie sich auf alle Fälle, zurückhaltend zu sein.

Denken Sie daran, dass es keine bestimmte Zeit für das Trauergeschehen gibt. Auch bei längerem Verweilen in der zweiten Trauerphase ist Ihr Angehöriger das Maß der Dinge.

Hilfe von außen wird notwendig, wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass sich der Trauernde so sehr in Depressionen verstrickt, dass er nicht mehr weiterleben möchte. Darum ist es so wichtig, ein offenes Ohr und ein offenes Herz für den trauernden Menschen zu haben.

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