Sinnesreize in der Gartentherapie

Petersilie schmecken und einen Apfel vom Baum pflücken, das lockt keine Katze hinterm Ofen vor und keinen Menschen mit Demenz aus seinem Ohrensessel. Gartentherapie arbeitet mit Reizen, von denen wir viele kennen und viele eben nicht. Überraschungen machen neugierig und Sinneswahrnehmungen führen dann zu interessanten Verknüpfungen, wenn sie besonders reizvoll sind.

Gartentherapie erreicht Menschen über die Sinne

Es ist leicht zu erkennen, dass Gartentherapie den Menschen über die Sinne erreicht. Riechen, hören, tasten, sehen, schmecken, fühlen – es gibt wohl keine Sinneswahrnehmung, die über Gartentherapie nicht stimuliert werden kann. Wir wissen, dass Emotionen und Assoziationen über die Sinne aktiviert und beeinflusst werden können.

In vielen therapeutischen Situationen wird sogar damit gearbeitet, dass unbewusste Verknüpfungen im Gehirn zwischen Reiz und Erinnerung liegen. Wie so oft in der Betreuung von Menschen mit Demenz beobachten wir, was diesem Menschen gut tut, wie wir ihn stimulieren können, besonders wenn er sehr unruhig ist und unbändig an einer Idee festhängt, da dieser Zustand die ganze (Wohn-)Gruppe belasten kann und die Mitarbeiter.

In solchen Situationen kommt es oft vor, dass selbst das geduldigste Nicht-beachten oder das geschickteste Ablenkungsmanöver nichts bewirkt. Gute Erfahrungen habe ich damit gemacht, möglichst viele „Schlüssel“ zu kennen, die dem Betroffenen Menschen mit Demenz nicht (mehr) bewusst sind und über die ich an ihn herankomme, ihn ernst nehmen kann und ihm helfen kann, seine Sorge und seinen Kummer von mehreren Seiten zu betrachten.

Abgesehen davon, dass Reize für Ablenkung sorgen können, können sie über autobiografische Erzählungen zu einem vollständigeren „bunteren“ Bild führen, das in diesen bestimmten Situationen für den Betreuer hilfreich ist, um den Betroffenen zu verstehen.

Gartentherapie setzt auf Reiz und Sinneswahrnehmung

Für diesen Zweck gibt uns der Garten vielseitige Möglichkeiten. Von der süßen Schokoladenblume bis zur sauren Himbeere, vom Gestrüpp bis zum sanft wogenden Hasenpuschelgras; es gibt so unzählig viel Abwechslung! Wir können den Bewohner mit den Händen verschiedene Konsistenz von Erde und Sand, Wasser und Matsch fühlen lassen und werden dabei die Reaktionen, die Abwehr und den Genuss genau beobachten und darüber reden.

Wir werden mit genießen, mit arbeiten und mit assoziieren. Wichtig ist, dass wir Spaß daran haben. Außerdem ist noch ein anderer Punkt wichtig, der hier noch nicht zur Sprache gekommen ist: Anknüpfungspunkte fürs Gehirn können gut durch bekannte und unbekannte Reize oder Informationen aktiviert werden.

Ich glaube sogar beobachtet zu haben, dass eine Herausforderung durch eben diese Verknüpfung wirkungsvoller ist, um mit demenzkranken Menschen intensiv zu arbeiten: Biete ich ihm zu „einfache“ Reize an, die er kennt, aktivieren sie ihn nicht. Die Automatik in Reizen, die allzeit präsent sind, lockt keine Katze hinterm Ofen vor. Die Gartentherapie arbeitet also nicht nur mit Abwechslung im Angebot, sondern sorgt auch für Querverweise, Paradoxe und Anomalien.

Der Reiz für Menschen mit Demenz in der Gartentherapie liegt nicht darin, wie eh und je Schnittlauch und Petersilie schneiden zu gehen. Vielmehr besteht der Reiz vielleicht darin, die ausgewachsenen Schnittlauchblumen in der Wiese stehen zu sehen und darüber zu diskutieren, ob man sie zur Verzierung noch in den Salat schmeißen kann. Es gibt übrigens viele essbare Blüten!

Gartentherapie von Frühling bis Herbst

Sinnesreize in der Gartentherapie sind uns von den Pflanzen selbst vom Frühling bis zum Herbst gegeben. Versuchen Sie im Frühling die Stile des sauren Klees zu kauen, später mit spitzen Fingern dem Geißblatt das Nektartröpfchen zu entlocken oder kleine wilde Erdbeeren unter ihren Verkleidungen zu finden. Aber nicht nur die Früchte, das Nektar oder die bewährten Kräuter kann man riechen und schmecken, sondern auch Blüten.

Es gibt so viele essbare Blüten, die wir auch gezielt in den Speiseplan mit aufnehmen können, nachdem wir sie im Garten probiert haben. Die kleinen Veilchen, die Rosenblütenblätter, Chrysanthemen, Gänseblümchen. Wir können sie essen. Sie sorgen für gute Laune oder aber auch für Abwehr: „So etwas habe ich noch nie gegessen!“

Negativaussagen sind auch Aussagen! Hauptsache, sie sind emotional so stark stimuliert, dass sie zu einer Auseinandersetzung führen. Das ist einer der Punkte, die wir bei Menschen mit Demenz hervorrufen wollen: Kommunikation, egal ob negativ oder positiv! Und glauben Sie mir, die harmlosen Gänseblümchen, wie viele andere essbare Blüten auch, tragen dazu bei!

Die Beete müssen so angelegt sein, dass sie speziell für alte Menschen günstig liegen: Walderdbeeren, die den Halbschatten am Boden lieben, können an einem Hang den Weg hinauf wachsen, dort wo ein bisschen weiter oben der Haselstrauch wächst und Schatten spendet.

Der Bewohner braucht sich kaum bücken, bloß nach vorne beugen, um die kleinen roten Früchtchen zu finden. Und viele werden von ihrer Kindheit erzählen oder auch vom gefährlichen Fuchsbandwurm und Sie können dann im Geiste aufräumen, welche Zeit die Erdbeere wohl beim alten Menschen hat aufleben lassen.

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