Die sieben W-Fragen und die entscheidende achte Frage

Manchmal lernt man sie schon in der Schule. Für Journalistenschüler sind sie später Pflicht: die sieben W-Fragen. Sind alle Fakten klar, ist es meist nicht schwer, diese in einem Text oder Bericht zu beantworten. Kreativität, Erfahrung und Wissen allerdings erfordert die Beantwortung der achten W-Frage. Lesen Sie, wie diese lautet und warum sie so entscheidend ist.

Die sieben klassischen W-Fragen
Ob Kurzmeldung, Meldung oder Bericht, sie alle müssen in unterschiedlicher Länge auf diese sieben Fragen Antworten geben:

  1. Wer? – Der oder die Handelnden
  2. Was? – Das Ereignis
  3. Wann? – Der Zeitpunkt
  4. Wo? – Der Ort
  5. Wie? – Der Ablauf
  6. Warum? – Die Gründe
  7. Woher? – Die Quelle

Hier eine Beispielmeldung, die alle sieben W-Fragen beantwortet – in Klammern gesetzt jeweils welche:

Professor Unsinn (1) sprach über die sieben W-Fragen (2) am gestrigen Zweiten Weihnachtstag (3) auf dem Erkenschwicker Marktplatz (4) auf höchst obszöne Weise (5). Er tat dies nach Angaben von Teilnehmern (7) zu seinem größten Vergnügen (6).

Soweit die Fakten. Diese lassen sich, wie Sie sehen werden, jedoch ganz unterschiedlich gewichten, bewerten oder interpretieren. Dies geschieht anhand der achten W-Frage:

  1. Wen will ich erreichen? – Die Zielgruppe

Die achte W-Frage
Die Frage nach der Zielgruppe bestimmt Aufbau, Tenor, Stil und auch die Länge eines Beitrags. Aus der Beispielmeldung ergeben sich je nach Leserschaft ganz unterschiedliche Artikel. Phantasieren wir einmal. So könnten die Überschriften und untergeordneten Überschriften (Subheadlines) verschiedener Zeitungen lauten:

Zeitung für christliche Kultur
Muss das sein? – Professor Unsinn entweiht Weihnachten durch Obszönitäten.

Fachblatt für Geist und Rede
Kunst der Provokation Unsinn hält obszönen Vortrag

Bild
Nicht schön – Unsinn wird Weihnachten obszön.

Erkenschwicker Landbote
Skandalrede auf dem Marktplatz – Professor Unsinn wird gegenüber Erkenschwickern obszön.

FAZ
Unsinn erregt Aufsehen – Professor hält obszöne Rede.

TAZ
Aus Vergnügen – Unsinn schockt Erkenschwick mit obszönem Vortrag.

Auf die Leserschaft kommt es an
Das Reizwort der Meldung ist eindeutig "obszön" (5. W-Frage: Wie?). Für eine FAZ ist der Ort (4. W-Frage: Wo?) weniger von Belang, für den Erkenschwicker Landboten selbstverständlich sehr. Der Zeitpunkt Weihnachten (3. W-Frage: Wann?) ist für die Zeitung für christliche Kultur entscheidend, genauso für die Bild. Beide appellieren an ein bei ihren Lesern angenommenes Gefühl für Religion und Anstand.

Das Fachblatt für Geist und Rede interpretiert bereits die Meldung (ausgehend von der 6. W-Frage: Warum?). Auch die TAZ startet mit der 6. W-Frage, spielt dann aber in Kenntnis ihrer Leserschaft ironisch auf die Provinz an (4. W-Frage: Wo?). – Eine Nachricht, doch völlig unterschiedliche Meldungen. Was zeigt, wie wesentlich die 8. W-Frage ist.

Fazit
Denken Sie daran: Sie schreiben immer für eine Zielgruppe. Je größer und allgemeiner diese ist, desto sachlicher müssen Sie texten, siehe die Überschrift der FAZ. Je spezifischer ihre Leserschaft wiederum ist, desto stärker können Sie gewichten. Haben Sie eine lokale Zielgruppe, werden Sie immer den Ort betonen. Haben Sie eine Fachzielgruppe, werden Sie auf fachliche Aspekte besonders abheben.

Für eine junge, spaßorientierte Zielgruppe schreiben Sie einen anderen Bericht als für eine konservative, ältere Leserschaft. Humor und Ironie (siehe TAZ-Überschrift) sollten Sie nur einsetzen, wenn Sie Ihre Leserschaft genau kennen oder diese es von Ihnen erwarten. Viel Erfolg.