Gute Texte: Adjektive richtig auswählen

Adjektive oder Eigenschaftswörter sollen Bilder im Kopf erzeugen. Sie beschreiben Nomen oder Hauptwörter näher, geben Zusatzinformationen. Leser sollen sich eine Sache oder einen Umstand schnell, konkret und bildhaft vorstellen können. Dazu müssen Adjektive passend und aussagekräftig sein. Verzichten Sie auf überflüssige Adjektive. Hier kommen ein paar Regeln zum guten Gebrauch von Adjektiven.

Nicht zu viele Adjektive!

Vermeiden Sie "Adjektivitis". Dieser Begriff ist eine Art Schimpfwort in Schreibwerkstätten. Wer darunter leidet, verwendet zu viele Eigenschaftswörter. Auch platte Formulierungen würden die meisten Lektoren und Leser ablehnen.

Suchen Sie nach bedeutungsvollen Adjektiven. Beobachten Sie gut.  In welcher Zeit, Umgebung und Atmosphäre und mit was für Figuren ist Ihr Text angelegt? Ein zerfleddertes oder verschmutztes Gebetsbuch – das erzeugt ein gewisses Bild. Gebetsbücher sollten nicht schmutzig sein.

Die schwarz behaarte Hand mit dem Onyxring auf dem Mittelfinger, die noch dazu unter der penibel gestärkten Manschette hervor guckt, verunsichert die sensible Heldin vielleicht in einem Krimi ebenso wie in einem Liebesroman. Die rot-weiß-karierte Leinentischdecke auf dem Frühstückstisch wirkt bäuerlich oder romantisch. Sie ist etwas anderes als das frisch gestärkte Damasttischtuch oder das eingerissene oder verfleckte Papiertischtuch. Solche Beschreibungen lassen Rückschlüsse zu.

Vermeiden Sie klischeehafte Adjektive

Für Trivialliteratur gelten allerdings eigene Regeln. Es gibt charakteristische Eigenschaftswörter, die Leserinnen und Leser dieses Genres gern mögen. Ein paar Beispiele: verhärmte Züge, ein leichenblasses Gesicht, ein entzückendes Mädchen, der muskulöse Oberkörper, das hauchdünne Negligé, die schneidende Stimme, rauschender Beifall oder der eiskalte Blick.

Wenn Sie kein Groschenheft schreiben wollen, hüten Sie sich vor solchen Formulierungen. Man hat sie schon zu oft gehört. So wirken sie abgegriffen und langweilig. Ihren Zweck, Begriffe bildhaft auszuschmücken und dadurch Interesse hervorzurufen, erfüllen sie kaum noch.

Adjektive in der wörtlichen Rede

In der wörtlichen Rede allerdings dürfen sie abgedroschen Phrasen verwenden, wenn sie zur Figur passen. Wunderschönes Wetter, total leckeres Essen, echt himmelhohe Berge, ein tränenüberströmtes Gesicht, der olle Macker – all das kann zur Aussage einer Figur passen – etwa wenn sie ein wenig schlicht ist, altmodisch, noch sehr jung oder ziemlich schräg.

Die Angst, durch "Adjektivitis" einen schlechten Schreibstil zu entwickeln, sollte nicht zu übertriebener Enthaltsamkeit führen. Auch in der modernen Literatur haben Adjektive ihre Berechtigung. In Klassikern wie den "Buddenbrooks" von Thomas Mann sind sie reichlich zu finden.

Sie sind immer noch unsicher, ob Sie nun ein Adjektiv verwenden sollen oder nicht?

Betrachten Sie die Sache einmal ganz logisch. Es ist ein Unterschied, ob eine Frau alt oder jung ist. Schalten Sie ihr Kopfkino ein: Die Frau stützte sich auf einen Stock – das ist neutral. Die alte Frau stützte sich auf einen Stock – das klingt nicht ungewöhnlich. Die junge Frau stütze sich auf einen Stock – da merkt man auf. Ist sie krank? Hat sie sich den Fuß verstaucht? Spielt sie nur eine Rolle und führt etwas im Schilde?

Wenn Sie immer noch unsicher sind, kopieren Sie eine Passage Ihres Textes, in dem beliebig viele Adjektive stehen dürfen. In der Kopie entfernen Sie ausnahmslos alle Eigenschaftswörter. Lesen Sie sich laut beide Texte vor. Welcher gefällt Ihnen besser? Fehlt dem zweiten Text wirklich Entscheidendes?

Wenn ja, dürfen Sie – sorgfältig ausgewählt – Adjektive hinzugeben, die den Text verbessern. Es ist wie beim Kochen und Würzen – es kommt auf Feingefühl an und auf Fantasie.