Rainer Wälde: Trinkgeld geben – aber mit Stil

In welchen Berufen ist es heute noch richtig, Trinkgeld zu geben? Gibt es dafür ein Muss – und wenn ja, wieviel muß man geben? Gilt die alte Regel noch, dass Chefinnen und Chefs kein Trinkgeld bekommen? Solche und viele andere Fragen zu diesem Thema tauchen immer wieder auf. Rainer Wälde, Herausgeber von "Der große Knigge", beschäftigt sich intensiv mit allen Gebieten der richtigen Umgangsformen. Er weiß: Trinkgeld-Geben ist häufig eine schwierige Gratwanderung zwischen Lob und Beleidigung.

Durch seine langjährige Zusammenarbeit mit Fachleuten aus der Gastronomie, der Hotel- und Reisebranche sowie anderen Berufsgruppen kennt Rainer Wälde die Problematik zum Thema „Trinkgeld“. Er rät:

1. Wählen Sie in Zweifelsfällen – zum Beispiel, wenn sich jemand durch ein Trinkgeld beleidigt fühlen könnte – statt Geld eine kleine Aufmerksamkeit als Dank.

2. Geben Sie in den typischen Trinkgeld-Berufen (Gastronomie, Hotel- und Reisebranche, Schönheitssalons wie Friseur/Kosmetik und ähnliche) ein Trinkgeld, wenn Sie mit der Leistung zufrieden waren.

Ein Trinkgeld gilt heute im Dienstleistungsbereich als Lob/Dank für eine gute Leistung. Der Begriff „Trinkgeld“ stammt aus sehr alten Zeiten. Damals trauten die „Herrschaften“ dem „niederen“ Personal nichts Besseres zu, als sich für die herablassend hingeworfenen Münzen zu betrinken. Ein Rest dieses diskriminierenden Denkens haftet dem Wort „Trinkgeld“ immer noch an, obwohl sich die Bedeutung grundlegend geändert hat.

Deshalb ist es wichtig, sich über die stilvolle Übergabe eines Trinkgeldes, die die Annehmenden nicht verletzt, Gedanken zu machen. Wer zum Beispiel als Gast im Restaurant oder Hotel den Eindruck verbreitet: „Für mein Geld kann ich euch ‚Menschen zweiter Klasse‘ springen lassen“, wird sich auch mit reichlich gegebenem Trinkgeld nicht beliebt machen.

Das gilt ebenso bei einem ausbleibenden oder im Vergleich zu den üblichen Gepflogenheiten zu geringen Obolus. Beispiel: Eine Restaurant-Rechnung wird von 99,50 Euro auf 100 Euro aufgerundet. Diese „Geste“ beleidigt eine Restaurantfachkraft mehr, als dass sie sie erfreut.

Im Gegensatz zu den USA, wo das Trinkgeld im Restaurant ein Muss ist, bleibt es in Deutschland Ihre Entscheidung, ob Sie im Restaurant Trinkgeld geben oder nicht. Es ist jedoch üblich und wird in der Regel erwartet. Waren Sie mit dem Service zufrieden, sollten Sie Ihr Trinkgeld an der „5 bis 10-Prozent-Faustregel“ errechnen. Legen Sie, je nach Zufriedenheitsgrad, zwischen 5 und 10 Prozent der Rechnungssumme dazu.

Wollen Sie bar zahlen, und haben Sie den Rechnungsbetrag plus des von Ihnen spendierten Trinkgelds passend? Dann ist es kein Fauxpas, die Summe mit einem „Vielen Dank, es stimmt so“ oder „Danke sehr, der Rest ist für Sie“ zu übergeben.

Ebenso höflich ist es, wenn Sie die Endsumme nicht passend haben, den Betrag zu nennen, den Sie zurückhaben möchten: „Bitte geben Sie mir 10 Euro zurück“, oder zu sagen: „Runden Sie bitte auf 60 auf.“ Dabei sind grundsätzlich die Stellen nach dem Hunderter (falls vorhanden) gemeint, also beispielsweise 160. Diese Versionen sind somit auch praktikabel, wenn Sie Gäste dabei haben, denen die konkrete Rechnungssumme nicht bekannt werden soll. Die von Restaurantfachkräften ebenfalls als höflich eingestufte Form, den Gesamtbetrag „260“ zu nennen, eignet sich in solchen Fällen weniger.

Müssen Sie auch das Küchenteam einbeziehen? Nein, auch dazu gibt es wie für das Trinkgeld allgemein keine Verpflichtung.

Wen aber sollten Sie im Hotel sonst noch mit einem Trinkgeld bedenken?

Nimmt Ihnen etwa ein Wagenmeister bei der Ankunft die Arbeit des Autoparkens ab, ist dafür ein Trinkgeld zwischen 1 und 3 Euro üblich.

Gibt es einen Pagen, der vor dem Hotel steht und Ihnen ein Taxi ruft sowie beim Einsteigen hilft, ist ein Obolus von 1 Euro angebracht. Zeigen Sie sich für das Koffertragen – meist auch Aufgabe der Pagen – mit etwa 1 Euro pro schweres Gepäckstück erkenntlich.

Wollen Sie eine Restaurant- oder Hotelbar-Abrechnung bei der Abreise mit Ihrer Gesamtrechnung begleichen, sollten Sie beim Unterschreiben ein angemessenes Trinkgeld nicht vergessen. Halten Sie sich dabei an die Restaurant-Faustregel: 5 bis 10 Prozent vom Rechnungsbetrag sind auch hier angemessen.

Hilft Ihnen jemand von den an der Rezeption Tätigen beispielsweise, Konzert- oder Theaterkarten zu beschaffen, etwas Besonderes zu organisieren wie eine Stadtrundfahrt, ein Blumengeschenk oder ähnliches, sollten Sie sich für solche Zusatzleistungen mit einem Trinkgeld erkenntlich zeigen. Je nach Aufwand ist ein Betrag von 1 bis 3 Euro angemessen.

Bringt Ihnen jemand vom „Housekeeping“ (in den internationalen Hotels wird diese Bezeichnung fast durchgängig verwendet) zusätzliche Decken oder Kissen, vergessene Kosmetikartikel, eine Blumenvase oder ähnliches, ist ein Trinkgeld von etwa 1 Euro angebracht.

Außerdem ist es üblich, bei der Abreise im Badezimmer oder auf dem Nachttisch einen Dank-Obolus für das Zimmermädchen zu hinterlassen.

Die bis vor wenigen Jahren fast ganz von der Bildfläche verschwundene Toilettenfrau ist seit einiger Zeit wieder „im Kommen“ (heute allerdings auch oft in männlicher Gestalt). Das gängigste Toiletten-Trinkgeld: 25 Cent. Auch Beträge von 10 bis 50 Cent sind möglich.

Bei einer Taxifahrt können Sie nur in den seltensten Fällen wissen, ob der Chef oder die Chefin selber Sie fährt. Deshalb ist diese Berufsgruppe vom „Chef-Sonderstatus“ ausgenommen. Auch hier gilt: Trinkgeld ist die freiwillige Leistung eines Fahrgastes, wenn er mit dem Service zufrieden war. Ein Tip von 0,50 bis 1 Euro ist dann angemessen. Werden Sie als (Geschäfts-)Gast vom Chauffeur der oder des Gastgebenden gefahren, erwarten diese Cheffahrer/-innen nicht unbedingt ein Trinkgeld.

Auf Bahnreisen dürfen Zugbegleiterinnen und -begleiter im Gegensatz zu ihren Kolleg(inn)en in der Luft Trinkgeld annehmen. Kaufen Sie dort einen Fahrschein oder hilft Ihnen jemand vom Zugpersonal beim Ein- und Aussteigen mit dem Koffer, ist ein Trinkgeld jedoch unüblich. Bei einer gastronomischen Serviceleistung mit Getränken oder Speisen, die Ihnen zum Platz gebracht werden, sollten Sie sich hingegen an die Restaurant-Trinkgeldgepflogenheiten halten. Auch

Schlafwagen-Schaffner und deren Kolleginnen, die mehr für Sie tun, als die Fahrkarte zu stempeln, verdienen ein Trinkgeld.

Stewardessen und Stewards der Airlines werden als Gastgebende betrachtet und bekommen somit kein Trinkgeld. Viele Fluggesellschaften verbieten es den Crew-Mitgliedern sogar, Trinkgeld zu nehmen. Bei der Lufthansa beispielsweise gilt die Regel: Besteht ein Fluggast darauf, Trinkgeld zu geben, wird es zwar angenommen, statt sich auf einen längeren Disput einzulassen. Anschließend wird das Geld aber einer wohltätigen Organisation gespendet.

Bei Schiffsreisen heißen die Servicekräfte ebenfalls Stewardess und Steward. Doch im schwimmenden Hotel bekommen sie Trinkgeld – und zwar einen höheren Satz als an Land üblich. Kalkulieren Sie bei einer Schiffsreise mindestens 10 bis 15 Prozent des Reisepreises für Trinkgelder ein.

3. Begleiten Sie Ihre pekuniäre Anerkennung mit einigen dankenden und/oder lobenden Worten

4. Verzichten Sie bei berechtigtem Grund zur Klage lieber ganz darauf, Trinkgeld zu geben, statt in solchen Fällen die Rechnungssumme nur um einige Groschen aufzurunden

5. Halten Sie sich im Restaurant an die Faustregel, bei guter Leistung 5 bis 10 Prozent der Rechnungssumme als Trinkgeld dazuzugeben

6. Legen Sie Trinkgelder, wann immer es möglich ist, in bar zu einer Rechnung. Verzichten Sie in der Gastronomie darauf, das Trinkgeld quittieren zu lassen, falls Sie dies nicht für eine Geschäftsabrechnung brauchen

7. Beachten Sie die alte Regel, dass Chefinnen und Chefs kein Trinkgeld bekommen. Drücken Sie Ihren Dank gegebenenfalls in Form eines Geschenkes aus, zum Beispiel als Stammkundin bei der Inhaberin eines Friseursalons

8. Bedenken Sie Personen, die das ganze Jahr über Leistungen für Sie erbracht haben, wie Brief- oder Frachtzusteller/-innen und Zeitungszusteller/-innen, mit einem Weihnachtstrinkgeld