Bewerbungen: Das Stressinterview im Vorstellungsgespräch

Wenn der Personalchef im Vorstellungsgespräch Nachfragen zu möglichen Brüchen im Lebenslauf hat, sollen Fragen hierzu wahrheitsgemäß und ruhig beantwortet werden. Oft handelt es sich lediglich um eine Form des Stressinterviews.

Bei dieser Form des Vorstellungsgesprächs soll lediglich die Belastbarkeit des Bewerbers in Stresssituationen getestet werden. Wie reagiert er auf Provokationen von Vorgesetzten oder Kunden? Bleibt er ruhig und gelassen oder wird er ausfällig, hektisch, unsicher? Meist wird jedoch nur ein Teil des Vorstellungsgesprächs in dieser Form geführt, der weitaus größere Teil besteht aus sachlichen Nachfragen zum Werdegang, zu Interessen und zur Motivation, warum der Bewerber gerade in diesem Unternehmen arbeiten möchte.

Vorstellungsgespräch: Beliebte Fragen beim Stressinterivew

Oft werden beim Stressinterview Fragen gestellt wie:

  • Warum glauben Sie allen Ernstes der/die Richtige für die Position zu sein?
  • Wieso sollten wir gerade Sie einstellen?
  • Glauben Sie, mit Ihrer Erfahrung überhaupt mit unserem teilweise schwierigen Klientel umgehen zu können?
  • Erklären Sie mir bitte, warum es für Ihr Arbeitsverhältnis bei Firma XY kein Zeugnis gibt. Haben Sie sich etwas zu Schulden kommen lassen?
  • In Ihrem Lebenslauf steht für die Zeit von März bis Mai 1999 „berufliche Neuorientierung“. Wie ist das zu verstehen? Was müssen wir uns darunter vorstellen?

Wichtig ist in jedem Fall, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß, sachlich und souverän zu beantworten. Bei fehlenden Arbeitszeugnissen sollten dem Interviewer nicht nur die Gründe hierfür dargelegt werden, sondern ggf. und sofern möglich, das Angebot unterbreitet werden, im ehemaligen Betrieb anzurufen und dort Referenzen einzuholen – es sei denn, das Arbeitsverhältnis hat ein schlechtes Ende gefunden, egal von wessen Seite die Trennung ausging.

Dies ist jedoch bei weitem nicht immer der Fall. Oft weigert sich beispielsweise das Zeitarbeitsunternehmen, über das der Kandidat im Entleihbetrieb beschäftigt war, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis auszustellen, z. B. wenn der Mitarbeiter vom Entleihbetrieb fest übernommen wurde oder er selbst gekündigt hat, weil sich ihm bessere berufliche Perspektiven eröffnet haben.

Möglich sind Nachfragen beim ehemaligen Chef natürlich auch nicht, wenn die Firma des damaligen Arbeitgebers nicht mehr existiert.

Vorstellungsgespräch: Der Idealfall im Stressinterview 

Auch wenn die Fragen des Gesprächspartners provokativ oder bohrend erscheinen, so sollte sich der Bewerber vor Augen führen, dass er bereits in der engeren Auswahl ist, denn sonst hätte man ihn nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Es soll lediglich noch einmal die Stressresistenz und Belastbarkeit des Kandidaten abgeklopft werden.

Gleichzeitig werden mögliche Brüche in der beruflichen Biographie geprüft, um sicherzustellen, dass von dem zukünftigen Mitarbeiter keine relevanten Schwierigkeiten zu erwarten sind. Eine Fehlentscheidung des Personalers ist nicht nur zeit-, sondern unter Umständen auch sehr kostenintensiv, da in diesem Fall schnell Ersatz für die Fehlbesetzung gefunden werden müsste (erneute Schaltung von Anzeigen, Sichtung von Bewerbungsunterlagen, Durchführung von Vorstellungsgesprächen etc.).

Vorstellungsgespräch: Wann es sich nicht mehr um ein Stressinterview handelt

Oft beschleicht den Bewerber während des Gesprächs das Gefühl, dass es gar nicht mehr um eine Prüfung der eigenen Person und der Stressresistenz geht, sondern tatsächlich eher um einen persönlichen Angriff. In solchen Situationen sollte sich der Kandidat auf sein Bauchgefühl verlassen.

Von einem persönlichen Angriff und Frustration des Interviewers ist beispielsweise auszugehen, wenn der Personalchef sich plötzlich darüber echauffiert, dass der 40-jährige Bewerber kein Schulabschlusszeugnis beigefügt hat (was angesichts von Lebensalter und Berufserfahrung auch nicht mehr nötig ist!) und Spekulationen über Lügen im Lebenslauf hinsichtlich des erworbenen Schulabschlusses anstellt.

Ähnlich verhält es sich, wenn der Bewerber den Eindruck bekommt, dass mögliche Brüche im Lebenslauf (Arbeitslosigkeit, Kindererziehungszeiten, lange Studiendauer, Pflege von Angehörigen, Phasen beruflicher Neuorientierung etc.) lediglich als Vorwand dienen sollen, den Kandidaten wesentlich schlechter zu entlohnen als Mitarbeiter mit vergleichbarer Qualifikation und Berufserfahrung.

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