Lässt sich mit Inhalten aus Wikipedia ein Mietrechtsurteil fällen?

Es gibt unterschiedliche Beweismittel in Mietrechtsprozessen, aber welche Beweismittel ein Richter zulässt, kann er frei bestimmen. Erstaunlich ist nun, dass dem Kölner Amtsgericht in einem Rechtsstreit um Mietminderung Inhalte aus Wikipedia als Tatsache ausreichten, um ein Urteil zu fällen.

Ein Beweismittel ist eine Erkenntnisquelle, durch die ein Gericht in einem Rechtsstreit die Wahrheit oder Unwahrheit einer behaupteten Tatsache prüft. Im Mietrechtsprozess gibt es folgende Beweismittel:

  • Sachverständiger
  • Augenschein
  • Parteivernehmung
  • Urkunde
  • Zeugenaussage

Dabei ist keinem der genannten Beweismittel eine höhere Beweiskraft als den anderen beizumessen. Ein Richter kann frei bestimmen, welches der Beweismittel nach seiner Überzeugung anzuwenden ist.

Erstaunlich ist nun, dass das Kölner Amtsgericht in einem Mietrechtsstreit Inhalte aus "Wikipedia" als offenkundige Tatsache genügen ließ, ohne hinsichtlich der Frage, ob bei einer Mietwohnung ein Mangel vorliegt, einen Sachverständigen zu befragen.

Eine Sanierung eines Wasserrohres mit Epoxidharz rechtfertigt eine Mietminderung in Höhe von 20%, weil Epoxidharz Stoffe enthält, die gesundheitsschädlich sind.

In Wikipedia veröffentlichte Aussagen bedürfen somit nach Auffassung des Kölner Gerichts keines Beweises (AG Köln, Urteil v. 20.04.11, Az. 201 C 546/10).

Gesundheitsgefahr: Epoxidharz bei Rohrsanierung rechtfertigt Mietminderung

In dem Gerichtsverfahren ging es um ein Mietshaus, in dem Rohrinnensanierungen mit Epoxidharz durchgeführt wurden. Daraufhin minderte ein Mieter die Miete mit der Begründung, dass das verwendete Epoxidharz schädliche, insbesondere krebserregende Stoffe enthalte und daher das Leitungswasser in seiner Mietwohnung nicht als Trinkwasser genießbar sei.

Der Vermieter verklagte den Mieter daraufhin auf Zahlung rückständiger Miete.
Das Gericht entschied den Rechtsstreit zugunsten des Mieters. Die Miete durfte monatlich um 20% gemindert werden, da die Sanierung der Wasserrohre mit Epoxidharz vorgenommen wurde.

Das Leitungswasser war nach Ansicht des Gerichts deshalb als Trinkwasser nicht und zur Körperhygiene nur eingeschränkt geeignet. Diese Feststellung wurde jedoch nicht durch einen Sachverständigen getroffen, sondern das Gericht stützte seine Auffassung auf eine Abhandlung in der Online-Enzyklopädie "Wikipedia".

Die in Wikipedia veröffentlichten Inhalte über Epoxidharz stufte das Gericht als gerichtsbekannt ein. Die Feststellung in der Abhandlung, dass Epoxidharz Komponenten enthält, die gesundheitsschädlich und krebserregend sind, übernahm das Gericht in seine Urteilsbegründung ohne vorher einen Sachverständigen hinzuzuziehen.

Fazit der experto-Redaktion: Nach Ansicht des Gerichts sind in der freien Enzyklopädie "Wikipedia" im Internet veröffentlichte Aussagen als gerichtsbekannt anzusehen und bedürfen keines Beweises. Ein erstaunliches Urteil und wohl das erste Mietrechtsurteil, das Wikipedia fällte.