Checkliste: So schonen Sie beim Vorlesen Ihre Stimme

Beim Vorlesen geht ohne Stimme gar nichts. In meiner Checkliste finden Sie Tipps, wie Sie vermeiden können, dass die Stimme durchs Vorlesen strapaziert wird. Und was Sie tun können, wenn die Stimme schon angeschlagen ist.

Was der Stimme gut tut – macht das Vorlesen besser
Stimme zeigt die Stimmung: An der Stimme erkennen Sie, ob der Vorleser missmutig, abhetzt, wütend oder entspannt und ausgeglichen ist. Das habe ich bei meinen zahlreichen Vorlesestunden oft selbst erlebt. Deshalb lege ich Ihnen die oberste Regel für Vorleser ans Herz: Sorgen Sie für sich.

  1. Sorgen Sie für ausreichend Schlaf
    Wussten Sie, dass Opernsänger keine Partymäuse sind? Ganz im Gegenteil zur landläufigen Meinung, dass Sänger einen Bohème-Lebensstil pflegen, mit Wein, Weib und Gesang. Die Bühnenkünstler wissen: zu wenig Schlaf strapaziert die Stimme ebenso, wie Rauchen und Alkohol. Nur hört man den Schlafmangel der Stimme gleich am nächsten Morgen an. Rauch und Alkohol wirken sich vor allem langfristig auf die Stimmbänder aus.
  2. Reagieren Sie Ihre Gefühle vor dem Vorlesen ab
    Vor der Leihbücherei hat Ihnen jemand den Parkplatz weggeschnappt und nun sollen Sie vor einer Kindergruppe eine niedliche Tiergeschichte vorlesen? Stapfen Sie vorher am besten einmal ums Haus. Und versuchen Sie über das Parkplatzärgernis zu lachen. Dann gelingt es Ihnen, beim Vorlesen die Geborgenheit und Ruhe zu vermitteln, die Kinder lieben und brauchen.
  3. Kommen Sie mit Zeitpuffer an
    Sie hetzen zwei Minuten zu spät in den Kindergarten, die Gruppe wartet schon ungeduldig. Welche Stimmung verrät in diesem Fall Ihre Stimme wohl beim Vorlesen?
  4. Sorgen Sie für Ruhe
    Ist die Kindergruppe, der Sie vorlesen wollen laut? Oder sind die Kinder brav und still aber im Raum wird laut gesprochen? Warten Sie mit dem Weiterlesen bis Ruhe eingekehrt ist. Oder suchen Sie sich einen anderen Raum. Ist das nicht möglich, verschieben Sie das Vorlesen auf ein anderes Mal an einem anderen Ort. Ich habe einmal eine Vorlesestunde durchgezogen, gegen das turbulente Programm eines Clonwns im Nebenzimmer. Hinterher war ich abgekämpft und unbefriedigt. Und "meine" Kindergruppe ebenso.

5. Ohne Atem keine Stimme

  • Stimme ist warme Luft, die an den Stimmlippen vorbeiströmt
    Abgehetzt oder mit Atembeschwerden liest es sich nicht gut vor.
  • Sie sprechen mit einer Mischung aus Brust- und Bauchatmung
    Atmen Sie nicht nur bis zur Schulter aber füllen Sie auch nicht bei jedem Atemzug den Bauch bis kurz vor dem Platzen.
  • Sitzen Sie aufrecht
    Auch wenn Sie aufrecht sitzen, sollte Ihre Haltung bequem und eine Weile durchzuhalten sein. Lümmeln Sie beim Vorlesen nicht in einem Sitzsack auf dem Boden. Wählen Sie eher eine harte Sitzgelegenheit und sitzen Sie auf den Sitzbeinhöckern. Diese richtige Position finden Sie, wenn Sie auf einem Stuhl auf die vordere Kante rutschen, ohne sich anzulehnen.
  • Hosen- oder Rockbund sollte nicht kneifen

6. Haben Sie einen Frosch im Hals oder ist die Stimme angeschlagen?
Sind Sie heiser? In diesem Fall hilft nur "Klappe halten". Entzündete Stimmbänder brauchen Schonung und das bedeutet Schweigen. Sagen Sie Ihren Vorlesetermin ab. Schließlich wollen Sie noch im Lehnstuhl Ihren Urenkeln vorlesen und Ihre Stimme nicht unwiederbringlich schädigen.

Manchmal ist die Stimme ein wenig angeschlagen oder sie streikt im Laufe des Vorlesens. Beherzigen Sie in einem solchen Fall meine Tipps:

  • Flüstern Sie nicht
    Flüstern ist die anstrengendste Tätigkeit für die Stimmbänder. Sprechen Sie in normaler Lautstärke.
  • Räusper-Verbot
    Wenn Sie Schleim loswerden wollen, hilft Schlucken oder Husten. Das reizt die Stimmbänder weniger. Achten Sie darauf, ob Sie sich im Alltag immer wieder räuspern – es kann eine nervöse Gewohnheit sein. Schlucken Sie bewusst und übertrieben, wenn Sie ein Räusper-Bedürfnis überkommt. So gewöhnen Sie es sich nach kurzer Zeit ab. Haben Sie dauerhafte Beschwerden, lassen Sie beim Arzt Ihre Schilddrüse checken. Sie kann vergrößert sein.
  • Trinken Sie viel
    Zum Vorlesen, Sprechen und Singen müssen die Stimmbänder feucht und warm sein. Verzichten Sie auf kalte Getränke. Geeignet sind zimmerwarmes Wasser mit wenig Kohlensäure oder ganz ohne Blubb. Und lauwarmer Kräutertee, jedoch, wie Sie im nächsten Punkt lesen: keinen Kamillentee.
  • Salzpastillen und Gurgeln mit Salzwasser tun der Stimme gut
    Kamille und scharfes Gurgelwasser trocknen die Stimmbänder aus.
  • Deutliches Artikulieren schont die Stimme
    Setzen Sie beim Vorlesen bewusst und deutlich Lippen und Wangen ein. Die berühmte Korken-Übung zeigt Ihnen, was ich meine: Klemmen Sie einen Wein-Korken zwischen die Zähne und lesen Sie damit zur Übung einen Text laut vor, ohne dass die Lippen den Korken berühren. Anschließend lesen Sie den Text ohne Korken. Sie werden verblüfft feststellen, dass sich Ihre Artikulation verbessert hat. In anderen Worten: Sie nuscheln weniger und sprechen klarer.

Tipps, wie Sie eine Vorlesestunde vorbereiten und gestalten finden Sie in meiner Artikelreihe Vorlesen.