Warum ist Beckenbodentraining wichtig?

Der Beckenboden ist eine Muskelplatte. Wie jeder Muskel im Körper bildet er sich bei Inaktivität zurück und kann durch Aktivität auftrainiert werden. Da der Mensch sich vor einigen Jahren zum aufrechten Gang entschlossen hat, ist insbesondere der Beckenboden der Frau der Schwerkraft ausgesetzt und mit seinen drei Öffnungen (Harnröhre, Scheide und After) anfällig für Fehlfunktionen.

Ab welchem Alter sollten Frauen damit beginnen? Erst nach der Schwangerschaft (bzw. sechs Wochen nach der Geburt)?

Im Prinzip kann man in jedem Alter damit beginnen. Je früher, desto besser. Es wird jedoch umso wichtiger, je mehr Risikofaktoren im Laufe des Lebens möglicherweise dazu kommen. Diese sind ein Verlust an Elastizität und Spannkraft der Bindegewebe mit zunehmendem Alter, ein Hormonmangel nach den Wechseljahren, ein zunehmendes Körpergewicht und Gewebeverletzungen zum Beispiel bei Geburten. Da sehr viele Frauen nicht genau wissen, wie sie diese Muskeln willentlich ansteuern können, ist oft eine professionelle Anleitung sinnvoll, was nach der Schwangerschaft gemeinhin als Rückbildungsgymnastik bekannt ist.

Ist es auch für Männer ein Thema?

Ja, zum Glück aber nur im Rahmen von Operationen, die den Schließmuskel verletzen könnten, beispielsweise die vollständige Entfernung der Prostata bei Krebs. Ansonsten ist der Beckenboden des Mannes durch das engere Becken und den anatomischen Aufbau deutlich weniger anfällig als bei der Frau.

Wie genau lässt sich der Beckenboden trainieren?

Das Training läßt sich leicht erlernen und auch gut in den Alltag integrieren. Es geht um das gezielte Aktivieren der Muskulatur durch leichte Anspannungs- und Halteübungen, meist im Sitzen oder Liegen, damit gleichzeitig andere Muskelgruppen entspannt werden. Es genügen schon wenige Minuten pro Tag, wenn man die Übungen von einem gut ausgebildeten Physiotherapeuten erlernt hat. Wichtig dabei ist – wie bei jedem Training – die Kontinuität. Ich vergleiche das immer mit Zähneputzen oder Haarekämmen, was ja auch keine längeren Pausen duldet.

Stimmt es, dass Liebeskugeln dabei helfen? Man hört, dass dadurch die Muskeln anspannen müssen und sich automatisch ausbilden.

Ja, in der Medizin heißen diese aber nicht Liebeskugeln, sondern Vaginalkonen. Das sind Gewichte, die als Trainingshilfe verwendet werden, indem man versucht, diese im Alltag wie einen beschwerten Tampon in der Scheide zu tragen.

Gibt es Kraftübungen oder bestimmte Sportarten, die sich zum Beckenbodentraining empfehlen?

Sport ist prinzipiell gut für den Kreislauf, die Durchblutung und sehr viele Muskelgruppen. Vor allem bei Pilates und Yoga sind oft gute Anspannungsübungen integriert. Auch kurze sanfte Impulse wie beim Walken oder leichten Joggen sind gut. Beim Schwimmen wird der Beckenboden zusätzlich durch die horizontale Lage und den Auftrieb entlastet. Es gibt aber auch Sportarten, die den Beckenboden stark belasten, insbesondere das Heben großer Gewichte beim Fitnesstraining. Und ich habe auch schon Pferdesportlerinnen erlebt, bei denen der Beckenboden durch das Reiten praktisch übertrainiert war und so die Blasenentleerung gestört wurde.

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