Therapie bei Demenz: Beispiel Gartentherapie

Die Gartentherapie kann locken, die Kunsttherapie auffordern, die Physiotherapie entspannt usw. Normalerweise haben wir an eine Therapie mehr Anspruch. Wir wollen Heilung, wieder ganz werden. Der Demenzkranke lehrt uns hier, unseren Anspruch zu verändern.

Therapie: Gartentherapie, Ergotherapie und Aromatherapie bei Demenz

Jede Therapie, die Sie für die Betreuung einer demenzkranken Person einsetzen, sei es Gartentherapie, Kunsttherapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Aromatherapie ist der Versuch, für die Person die bestmögliche Umgebung zu erschaffen, in der sie sich so wohl fühlt, dass sie möglichst lange spricht, lacht, isst, schläft und sich bewegt. Die Gartentherapie kann locken, die Kunsttherapie auffordern, die Physiotherapie entspannt usw.

Normalerweise haben wir an eine Therapie mehr Anspruch. Wir wollen Heilung; wieder ganz werden. Der Demenzkranke lehrt uns hier wie in vielen anderen Situationen, unseren Anspruch zu verändern. An den Kern der Krankheit kommen wir nicht heran, an seine Ursachen ebenso wenig.

Therapien zur Diskussion gestellt

Mein Thema ist die Demenz, insbesondere die Kunsttherapie und Demenz. Durch meine kunsttherapeutischen Projekte habe ich mit vielen demenzkranken Menschen Dialoge geführt, Beobachtungen gemacht, mitgefühlt. Ich bewege mich im zweiten Absatz dieses Artikels auf unsicherem Boden, denn wer will schon gerne Physiotherapie und Aromatherapie in einem Kontext sehen?

Dass es im Zusammenhang mit dem Wort „Therapie“ immer wieder um wissenschaftliche und staatliche Anerkennung, um erwiesene Wirkungen und Methodik geht, ist mir bewusst. Da wir es hier aber mit dem fast unberechenbaren Abnehmen der geistigen Fähigkeiten bei oftmals noch sehr kräftigem körperlichen Zustand geht, sollten alle Wege, die eine Chance haben, die Sinne des demenzkranken Menschen zu reizen, die assoziativen Fähigkeiten des von Demenz angegriffenen Gehirns hervorzurufen, die Motorik und das Zusammenspiel von Wahrnehmung und Umsetzung beim demenzkranken Menschen zu fördern, sodass wir möglichst lange möglichst viele Informationen erhalten, die den Dialog aufrechterhalten.

Die Hoffnung besteht, dass dieser Dialog hilfreich für die letzte Lebensphase des Demenzkranken ist und zu Beobachtungen verhilft, damit die nachfolgende Generation die Chance auf Besserung hat. Die Alternative dazu ist eine ethische Frage, die ich nicht in die Diskussion bringe.

Therapie bei Demenz: Motivation des Betreuers

Die Tendenz des Therapeuten, nach Ursachen und Auslösern für die Krankheit zu suchen, steht in diesem Zusammenhang nicht im Vordergrund und sollte noch, ebenso wie die heilende Wirkung auf die Krankheit selbst, der Forschung überlassen werden. Kunsttherapie ist so eine Methode, die die Forschung direkt unterstützen kann.

Viele andere Methoden, die sich heute Therapie nennen, sehe ich im Zusammenhang mit Demenz als sehr fördernde Möglichkeiten und Angebote, gezielt und gleichzeitig ganzheitlich mit Menschen und dem Krankheitsbild umzugehen.

Ich denke, wir müssen dringend unterscheiden, wann und ob der Betreuer auch ein Therapeut ist. Bildet sich ein Betreuer gezielt in einer Methode aus, die ihm zusagt, sind gute Voraussetzungen dafür geschaffen, dass er sein Konzept hilfreich anwenden kann. Ob er die Demenz beeinflussen kann, sei dahin gestellt. Der Betreuer kann beim Zusammenwirken von Förderung und Entspannung im sozialen wie im individuellen Umfeld des Erkrankten durch Konzepte wie Gartentherapie mitwirken.

Reflektionsfähigkeit, Krisenbewältigung und Selbstregulierung sind bei Demenz nur noch bedingt möglich, wenn überhaupt. Die Therapie für Demenzkranke kann nicht primär dazu führen, dass die krankheitsbedingte Unruhe, Depression, Aggressivität, Starre, Misstrauen, Wahnbilder, Schlaflosigkeit etc., ganz zu schweigen von der sprichwörtlichen Vergesslichkeit, behoben werden.

Selbst das gezielte Verabreichen von Medikamenten kann diese Symptome auch nicht immer mindern, und bringt häufig – wenn auch nicht immer – ein anderes Ungleichgewicht im körperlichen oder geistigen Zustand des Demenzkranken.

Gartentherapie: Aktivierung von Sinneswahrnehmung

Die Gartentherapie birgt das Potential der Aktivierung von Sinneswahrnehmung über die natürliche Reize. Ich stelle mir das so vor: Es ist Frühling. Hinterm Haus gibt es eine Wildblumenwiese, auf der früh im Jahr der „nickende Sauerklee“ sein gelbes Haupt im Wind wiegt und der hellgelbe Ackersenf das Feld säumt. Die Blüten sind zitronengelb.

Sauerklee (Oxalis cernua Thunb.) wächst an einzelnen langen Stielen in großen Ansammlungen, die, in der Frühlingsbrise lustig wippend, über frischen grünen Wolken von jungem Gras stehen. Senf wächst als verzweigtes, mehrblütiges Sträuchlein am Rand oder auf brachliegenden Feldern. Er wurde im Herbst als Gründünger gepflanzt. Die Bäume haben noch kaum Blätter, doch die Vögelchen zwitschern bereits kräftig.

Auf einem Tisch steht ein Korb voll Zitronen. Wir pflücken ein paar Senfblüten ganz vorsichtig und streuen nur die schönsten offenen gelben kleinen Blütendolden in eine mit klarem Wasser gefüllte Glasschale. Wussten Sie, dass man Blütenwasser trinken kann? Wir lassen das Wasser mit einem Glasteller bedeckt eine Weile in der Sonne stehen. Unser Reiz ist heute gelb und sauer.

Wir können jede Menge Dinge mit sauren Eigenschaften rund um Garten und Geschmack zusammenstellen. Mit Demenzkranken zusammen erfahren wir die Farben und Texturen. In sinnvollen und sinnlosen Konstellationen bieten wir sie an: Auf den Stielen des Sauerklees herumbeißen und einen starken Sauer-macht-lustig-Reiz auslösen.

Zitronengelbe Blumensträußchen stellen wir auf den Tisch zu den Früchten und trinken Zitronensaft. Gartentherapie ist das Angebot im Garten und das Angebot des Gartens. Vom unruhigen Bewohner bis zum schon sehr fortgeschrittenen Demenzkranken bietet die Gartentherapie Möglichkeiten.

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