Demenz: Wenn ein Familienmitglied in eine andere Welt abtaucht

Viele Dinge sind im Alltag von uns scheinbar weit entfernt: Schwere Unglücke beispielsweise, oder lebensbedrohende Krankheiten anderer Menschen. Diese Distanz ist gut so und sehr wichtig zur Erhaltung des eigenen Lebensmutes. Dennoch sollten wir vor der allgegenwärtigen Option dramatischer Einschnitte in unser Leben nicht völlig die Augen verschließen. Ein solcher Einschnitt kann eine Demenz eines Angehörigen sein.

Die Erkrankung eines Elternteils oder des geliebten Ehepartners an Demenz kann unser Leben dramatisch verändern. Solche Erkrankungen sind keineswegs selten: In Deutschland gibt es ungefähr 1,6 Mio. Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Etwa 80 Prozent davon werden unmittelbar von den Familien betreut. Die Betreuung und Pflege von solchen geistig verwirrten Angehörigen kann für Familien schnell zu einer enormen Belastung werden, die bisweilen an den Rand einer kaum noch beherrschbaren Existenzkrise führt. Mangelnde Kenntnis der Hintergründe der Demenzerkrankung erschweren den pflegenden Familienmitgliedern den Umgang mit dem Demenzkranken bisweilen über Gebühr.

Es ist erschütternd, mit ansehen zu müssen, wie sich ein früher hoch geachtetes, gebildetes Familienmitglied mehr und mehr in seinem Wesen verändert, bis hin zum Verlust der eigenen Identität. In der Wissenschaft geht man davon aus, dass der demenzkranke Mensch eigentlich in einer „anderen Welt“ lebt als der geistig Gesunde. Aber gerade das macht das Zusammenleben der verschiedenen Parteien so schwer. Alltagssituationen, die für den gesunden Menschen völlig normal bzw. logisch und nachvollziehbar sind, werden für den Demenzkranken unüberschaubar und chaotisch. Viele Eindrücke kann er nicht mehr in Handlungsabläufe einordnen. Der Kranke weiß nicht, wie er sich verhalten soll. Selbst einfachste Anforderungen, wie Duschen oder Einkaufen, können eine Überforderung darstellen.

Nur wenn es uns gelingt, einfühlsam die Situation des anderen zu begreifen, bekommen wir eine Ahnung von der Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, Angst und Verzweiflung, der ein demenzkranker Mensch ausgesetzt ist. Ganz wichtig ist es nach Meinung von Experten, dass man den Demenzkranken so akzeptiert wie er ist. Versuchen Sie nicht auf ihn einzuwirken oder ihn zu verändern. Erhalten Sie vielmehr seine Eigenständigkeit so lange aufrecht, wie es geht. Lassen Sie ihn in seiner eigenen Welt gewähren. Ein an Demenz Erkrankter braucht für sein Selbstwertgefühl eigene Erlebnis- und Aktivitätsräume.

Sie können dem Demenz Erkrankten das Leben insbesondere erleichtern, indem Sie in die Tagesabläufe eine gewisse Kontinuität bringen. Vertraute Menschen und Dinge sind für den Demenzkranken bedeutender als die Gegenwart, in der er sich ohnedies nicht mehr zurechtfinden kann. Alles um ihn herum muss klar und verständlich sein. Demenzkranke brauchen eine einfache, überschaubare und unkomplizierte Umwelt. Die Räume, in denen sich solche Menschen bewegen, sollten offen gestaltet sein, ohne verwirrende optische Reize. Verschlossene Behälter und Schränke wirken auf solche Menschen beunruhigend. Praktische Orientierungshilfen durch Kalender, große Uhren oder Hinweise an Türen können dem Kranken viel Sicherheit geben, solange er die Inhalte noch versteht.

Sprechen Sie mit einem erkrankten Familienmitglied möglichst in kurzen Sätzen und in einfachen Worten. Ermutigen Sie den Demenz Erkrankten zu Antworten und Wiederholungen. Schlichte, verständnisvolle stumme Blickkontakte, Gesten und Berührungen helfen viel – sie vermitteln gegenseitige Nähe und Wärme. Verbote werden indessen von einem Demenzkranken meist als Kränkungen empfunden, die dieser nur schwer verarbeiten kann. Statt strikt “ Nein “ zu sagen, sollten Sie lieber geschickt und behutsam Alternativen vorschlagen. Vor allem – haben Sie Geduld und Nachsicht! Aber denken Sie auch an sich. Haushalten Sie bei der Pflege mit Ihren Kräften. Deswegen müssen Sie kein Schuldgefühl haben.

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