Erhard Liemen: Wie Sie ab sofort als Kapitalanleger durchleuchtet werden

Sie selbst müssen noch keine Vermögensaufstellung für den Fiskus erstellen. Das wird jedoch ab diesem Jahr für Sie von den deutschen Banken erledigt. Diese müssen Ihnen alle Wertpapiergeschäfte von Januar an dokumentieren. Das Finanzamt kann von Ihnen die Vorlage dieser Aufstellung verlangen.
Nicht nur die Veräußerungsgewinne, auch alle Kapitalerträge sollen lückenlos ausgewiesen werden. Was angeblich der Steuervereinfachung dient, ist für die Banken ein riesiger organisatorischer Aufwand. Vor allem aber ermöglicht es dem Fiskus, den Bereich Spekulationsgewinne zu durchleuchten.

Auffallen wird aber auch, wenn bei der Steuererklärung 2004 erstmals hohe Zinserträge auftauchen. Jeder Finanzbeamte wird sich dafür interessieren, ob nicht auch bereits in Vorjahren Zinsen geflossen sind. Bis zu 10 Jahren zurück kann er dann die Vorlage entsprechender Belege fordern.

In Zweifelsfällen dürfen die Beamten sogar den Verlauf der vorherigen 10 Jahre schätzen. Das heißt: Der Bestand des Kapitalvermögens wird einfach anhand durchschnittlicher Wertzuwächse zurückgerechnet. Die Folge: Das führt zu erheblichen Nachteilen. Ganz abgesehen vom Vorwurf einer Steuerhinterziehung. Für Betroffene wird es damit höchste Zeit, den Sachverhalt mit dem Steuerberater zu erörtern.

Für alle Anleger in Deutschland sind die Zeiten passee, in denen Vertraulichkeit halbwegs gewahrt war. Viele deutsche Investoren dürften ihre Wertpapier-Depots künftig von Banken im Ausland führen lassen.

Im Wirtschaftsbrief habe ich immer wieder geraten, bei Kapitalanlagen keinesfalls herumzutricksen. Wenn auf Erträge Steuern fällig sind, sind diese auch zu zahlen. Bei Mauschelei droht großer Ärger. Den bekommen alle, deren Steuererklärung 2004 gravierende Änderungen gegenüber Vorjahren aufweist. Wo solche Sprünge auftreten, müssen diese erklärt und wenn nötig begründet werden.

Erhard Liemen, Chefredakteur "Der Deutsche Wirtschaftsbrief"