Familienstellen: Was in Familienbeziehungen zählt und heilt

Familienbeziehungen: Beziehungen zwischen erwachsenen Menschen gelingen durch einen gerechten Ausgleich zwischen Geben und Nehmen. Hier möchte ich mich auf das Thema bezüglich der Weitergabe des Lebens im Kontext von Familien beschränken. In diesem Artikel lesen Sie vom Geben und Nehmen in Familien und den Herausforderungen, die das Streben des Menschen nach Ausgleich mit sich bringt. Wo ein materieller Ausgleich nicht möglich ist, bleibt am Ende oft nur die Dankbarkeit.

Familienbeziehungen: Am Lebensanfang steht das Nehmen im Vordergrund
Bei der Zeugung gibt der Mann die Samenzelle, die Frau nimmt sie, um sie mit ihrer Eizelle zu vereinigen, so dass ein Embryo entstehen und sich in der Gebärmutter einnisten kann.

Auf diese Weise wird der Mann zum Vater, die Frau zur Mutter und das Paar zu Eltern des Kindes. Sie geben dem Kind das Leben weiter und das Kind muss es nehmen, ob es will oder nicht.

Dieses Muss erscheint manchen Menschen später unerträglich. Sie suchen diesem Ausgeliefertsein zu entgehen, indem sie abtreiben oder, wie man sagt, sich das Leben nehmen. Beim Selbstmord nehmen sie sich allerdings das hiesige Erdenleben weg und wollen sich stattdessen das so genannte Ewige Leben nehmen, aus dem sie gekommen sind. Manchmal tun sie dies in der Hoffnung, dass ein geliebter Mensch dadurch noch hier bleiben kann, häufig auch, um einem Angehörigen zu folgen.

Geben und Nehmen in Beziehung
Was das Kind von den Eltern genommen hat, das eigene, hiesige Leben, kann es ihnen gegenüber nicht ausgleichen. Deswegen fühlt sich das Kind gegenüber den Eltern seelisch klein, die Eltern dagegen groß, wie auch der spätere Stand der Groß – Eltern beschreibt.

Um eine eigene Größe, die eigene Identität zu erreichen, ist das Kind zusätzlich darauf angewiesen, sich von den Eltern abzugrenzen und zu distanzieren, wie jüngst Wilfried Nelles (Praxis der Systemaufstellung, 1/10) ausgeführt hat.

Der Ausgleich ist dem Kind gegenüber den eigenen Eltern nicht möglich. Er geschieht erst, wenn das Kind, selbst erwachsen geworden, seinerseits das Leben an eigene Kinder weitergibt in die nächste Generation, in einer neuen Beziehung.

Ausgleich von Geben und Nehmen gegenüber den eigenen Eltern
kann dementsprechend nur durch bewusste Würdigung der Bindung geschehen. Sie fließt ein in die Dankbarkeit des Kindes gegenüber die Eltern im Hinblick auf die Gabe des Lebens. Manchmal kann ein Teil davon einfließen in die Fürsorge für die alt gewordenen Eltern, die Kinder in eigener, erwachsener Verantwortung wahrnehmen.

Geben ist seliger als Nehmen
Da wir alle als Kinder in die Welt kommen, beginnt unsere Lebensbilanz mit einem Überschuss im Bereich des Nehmens. Zugleich wohnt uns jedoch das Streben nach Ausgleich, nach Gleichgewicht, inne. Dadurch neigen wir dazu, lieber zu geben als zu nehmen.

Wer dies tut und sich dabei über Gebühr verausgabt, läuft Gefahr, schulkindhaft – brav (nach Peter Fürstenau) in kindlichem Erleben stecken zu bleiben und vor fälligen Entwicklungsschritten "Zurück zu schrecken". Ähnlich hat es auch Wolfgang Schmidbauer, Die hilflosen Helfer, beschrieben.

Was zeigt Familienstellen hinsichtlich des Ausgleichs von Geben und Nehmen?
Im Vordergrund steht, durch Stellung im Raum, Blickkontakt und gesprochenes Wort hinsichtlich der Beziehungen und Bindungen anzuerkennen, was ist. Als Wichtigstes erscheint dabei die Heilung der Beziehung zu den Eltern. Ihnen für das Geschenk des Lebens zu danken, macht frei und stärkt für das eigene Leben.

Dort erscheint im Allgemeinen ein gleichberechtigter Ausgleich zwischen Geben und Nehmen angebracht. Wie dieser in jeder einzelnen Situation und Beziehung geschehen kann, obliegt natürlich der eigenen Wahl und Verantwortung der jeweils Betroffenen.