Achtung Zeugnis: Zeugnis auch für Lehrer?

Dass Schüler zum Ferienbeginn ein Zeugnis erhalten, das über Erfolge und Misserfolge Auskunft gibt, ist in unserer Gesellschaft so Sitte. Durch das Internet, besonders die Seite www.spickmich.de haben sich jetzt auch Schüler die Freiheit genommen, ihre Lehrer zu beurteilen. Was ist davon zu halten, wie können Eltern mit dieser Entwicklung umgehen

Schulnoten hängen nicht nur von den individuellen Leistungen der Schüler ab. Diese Erfahrung haben Generationen von Schülern gemacht und daran hat sich auch nach allen Schulreformen nichts geändert. Persönliche Einschätzungen des Lehrers spielen eine wichtige Rolle. Damit soll hier nicht gesagt werden, dass das Zeugnis vor allem eine Sache der Willkür sei, aber in einzelnen Fällen ist es sicher gut nachzuvollziehen, dass auch zwischenmenschliche Kriterien   zu Verbesserungen oder Abstürzen führen können.

Schlechtes Zeugnis als konstruktive Kritik
Die bei Schülern beliebte Internet-Plattform www.spickmich.de wurde dieser Tage von einer Lehrerin verklagt, die durch das schlechte Zeugnis, das ihr die Schüler ausstellten, ihre Persönlichkeitsrechte bedroht sah. Die Klage wurde abgewiesen. Zurecht, wie ich meine. "Das nimmt doch keiner ernst," sagte mir eine Schülerin. Offenbar hängt solche Lehrerkritik von sehr subjektiven Eindrücken ab. Sympathien und vor allem Antipathien spielen eine wichtige Rolle.

Einer allerdings sollte die Kritik ernst nehmen, der betroffene Pädagoge. Vielleicht kann dieser, nachdem er viele Abstriche gemacht hat, zum Beispiel, weil er sich nicht modisch genug kleidet oder weil er nicht bereit ist, auf Hausaufgaben zu verzichten, im (Zerr)spiegel der Schülerkritik nachdenkenswerte Aspekte entdecken. Diese könnten im besten Fall zu einem Überdenken der eigenen Position führen und somit durchaus konstruktiv für die eigene Entwicklung werden.

Gutes Zeugnis, gutes Verhältnis
Gutes wird selten berichtet. Es fehlt uns da etwas die Kultur des Lobens. Dabei sind gerade Lehrer, die ein gutes Zeugnis verdient hätten, diejenigen, die unsere Kinder am meisten prägen. Wie ein guter Coach, der seine Sportmannschaft herausfordert und lobt, kritisiert und motiviert, sollten Pädagogen sich verstehen. Und wie in vielen Sportmannschaften die Spieler für ihren Trainer alles geben, so kann man es auch bei Schülern erleben.

Leider ist diese Auffassung von Pädagogik noch nicht sehr weit verbreitet. Sollten sie solch einen außerordentlichen Lehrer kennen, sagen sie es dem Betroffenen bei Gelegenheit. Auch wenn das Lob von Eltern meist mit einem "ist doch selbstverständlich" quittiert wird, tut es doch dem Angesprochenen gut. Jeden Morgen vor dutzenden mehr oder weniger motivierten Schülern zu stehen und ihnen das Wissen zu vermitteln, das dann hoffentlich zu mehr als einem guten Zeugnis führt, ist schon eine Herausforderung.

Zeugnis für den Lehrer ganz privat
Eltern halten sich höchst selten bei spickmich auf. Trotzdem wird auch im häuslichen Gespräch oft über Lehrer Kritik geäußert, vor allem vermutlich negative Kritik. Ich halte es für wenig sinnvoll, unreflektiert in diese Kritik einzustimmen. Sicher ist es wichtig, den Kindern genau zuzuhören. Auch sollte unsere Solidarität eher unseren Kindern gelten, als den fernen Lehrern. Allerdings erschließt sich hier ein gutes Übungsfeld, wie man über Menschen sprechen sollte und wie nicht.

Vielleicht machen Sie sich die Mühe und drucken ein Zeugnis für die Lehrer, das ihr Kind dann ausfüllen kann. Es kann Anlass zu einem Gespräch geben, das muss aber gar nicht sein. Allein sich manchen Frust von der Seele schreiben zu können, ist hilfreich. Oder zu lernen, positiv Erlebtes als Lob zu formulieren, ist mehr als ein Spiel.

Szenen, wie die in der folgenden Geschichte, kommen dadurch hoffentlich seltener vor: "Mamma, ich will nicht in die Schule gehen." "Du musst aber, steh jetzt auf". "Ich will aber nicht, ich hab keine Lust." "Du musst aber." " Die Kinder sind gemein zu mir." "Ja, das ist schlimm." "Die Lehrer sind gemein zu mir." "Du musst trotzdem zur Schule gehen." "Ich will aber nicht." "Du musst, mein Junge, du bist 48 Jahre alt und der Schulleiter."

Erziehung ist ein Zusammenspiel. Die Lehrer werden es nicht allein schaffen. Sie brauchen die Unterstützung von uns Eltern. Und ehrlich gesagt, wir Eltern würden es wohl auch kaum allein schaffen.

Nebenbei, was halten Sie von einem Zeugnis für uns Eltern?