Zusammenlegung von Niederlassungen: Nicht immer standortübergreifende Sozialauswahl

Sollen mehrere Niederlassungen eines Betriebes zusammengelegt werden, so sind nur dann die Arbeitnehmer aller betroffenen Niederlassungen in die Sozialauswahl einzubeziehen, wenn sie miteinander vergleichbar sind. Das können grundsätzlich auch Beschäftigte aus verschiedenen Niederlassungen sein. Nicht gegeben ist die Vergleichbarkeit für die Sozialauswahl allerdings dann, wenn ein Arbeitgeber erst anlässlich der Zusammenlegung Änderungskündigungen mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung in einer anderen Niederlassung ausspricht (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 18. Oktober 2006, Az.: 2 AZR 676/05).
Aktueller Fall zur Sozialauswahl
Eine Arbeitnehmerin war bei ihrem Arbeitgeber als Leiterin einer Niederlassung beschäftigt. Der Arbeitgeber hatte eine weitere Niederlassung in einem 125 Kilometer entfernt liegenden Ort. Als er beschloss, diese Niederlassung zu schließen, bot er den dort Beschäftigten im Wege der Änderungskündigung die Weiterbeschäftigung in der Niederlassung der Leiterin an. Dieses Angebot nahmen vier Beschäftigte an, darunter auch der Leiter der weiter entfernten Niederlassung.

Da die Position der Niederlassungsleitung nunmehr doppelt besetzt war und der Leiter aus der aufgegebenen Niederlassung verheiratet ist und ein Kind hat, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der Leiterin der Niederlassung, die weiterhin bestehen sollte, betriebsbedingt. Die Arbeitnehmerin wehrte sich gegen die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage.

Standortübergreifende Sozialauswahl nur bei Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer
Das BAG klärte zwar noch nicht abschließend, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses als Leiterin rechtmäßig war. Diese Entscheidung überließ es dem Landesarbeitsgericht. Es stellte in seiner Entscheidung aber klar, dass die Zusammenlegung mehrerer Niederlassungen nicht in jedem Fall eine standortübergreifende Sozialauswahl rechtfertige.
Denn der Kreis, der in eine nach § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz vorzunehmende Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer bestimmt, richtet sich nach deren Vergleichbarkeit. Diese bemesse sich in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen. An einer Vergleichbarkeit fehle es deshalb zwischen Arbeitnehmern, die der Arbeitgeber nicht einseitig, also per Direktionsrecht, auf einen anderen Arbeitsplatz umsetzen könne.
Folge davon ist, dass der Arbeitgeber die Vergleichbarkeit nicht dadurch herbeiführen kann, dass er anlässlich der Zusammenlegung mehrerer Niederlassungen den Arbeitnehmern der einen Niederlassung Arbeitsplätze in anderen Niederlassungen anbietet.
Sozialauswahl: Eine kritische Prüfung ist unerlässlich
Als Betriebsrat sollten Sie die Sozialauswahl Ihres Arbeitgebers stets kritisch prüfen. Denn eventuelle Fehler bieten Ihnen die Möglichkeit, eine Kündigung letztlich zu verhindern. Halten Sie eine Entscheidung für ungerechtfertigt, dann widersprechen Sie nach § 102 Abs. 3 BetrVG oder äußern Sie zumindest detaillierte Bedenken in Ihrer Stellungnahme.
Praxis-Tipp: Viele Arbeitgeber versuchen, sich vorsorglich mit Ihnen auf eine Auswahlrichtlinie (§ 95 BetrVG) zu diesem Thema zu einigen. Das klingt für Sie als Betriebsrat meist zunächst sehr attraktiv, denn Sie haben das Gefühl, Rechtssicherheit gewonnen zu haben. Trotzdem sollten Sie davon die Finger lassen. Denn existiert eine Auswahlrichtlinie, prüft das Arbeitsgericht die Sozialauswahl im Zweifelsfall nur noch auf grobe Fahrlässigkeit. Der Kündigungsschutz wird dadurch also stark eingeschränkt.