Wie Arbeitgeber ein gutes Arbeitszeugnis häufig relativieren

80 Prozent aller Arbeitszeugnisse in Deutschland werden mit der Note "Gut" ausgestellt. Nach Auffassung des Berliner Arbeitsgerichts haben Arbeitnehmer sogar einen Anspruch darauf. Wenn Arbeitgeber auf der sicheren Seite sein möchten, werden sie dem Arbeitnehmer also ein gutes Arbeitszeugnis ausstellen. Doch sie können Techniken einsetzen, um ein solches zu relativieren.

Gemäß einer Studie aus dem Jahr 2012 werden 80 Prozent aller Arbeitszeugnisse in Deutschland mit der Note „Gut“ ausgestellt. Diese Studie haben jetzt Richter am Amtsgericht Berlin zum Anlass genommen, eine seit vielen Jahren bewährte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu hinterfragen.

Neue Beweispflicht

Bislang sagte die Rechtsprechung, alles sei in Ordnung, wenn dem Arbeitnehmer ein befriedigendes Zeugnis (… hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer Zufriedenheit erledigt) ausgestellt wurde. Denn ein Arbeitnehmer hat ein Recht auf ein „durchschnittliches“ Arbeitszeugnis. Dieser Durchschnitt wurde zuletzt vom Bundesarbeitsgericht bei „Befriedigend“ gesehen (Urteil vom 14.10.2003, Az.: 9 AZR 12/03). Erst, wenn man ein schlechteres Zeugnis ausstellen wollte, musste man diese Schlechtleistung anhand harter Fakten belegen.

Die Berliner Richter argumentieren nun: Da 80 Prozent aller Zeugnisse in Deutschland mit der Note „Gut“ ausgestellt werden (… hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt), müssen alle „guten“ Arbeitszeugnisse als „durchschnittliche“ Arbeitszeugnisse betrachtet werden (Urteil vom 26.10.2012, Az.: 28 Ca 18230/11). Fazit: Wenn ein Arbeitgeber ein schlechteres Arbeitszeugnis, also beispielsweise eines mit der der Note „Befriedigend“ ausstellen möchte, muss er die Abweichung nach unten beweisen.

Um auf der sicheren Seite zu sein, werden Arbeitgeber also zunehmend „gute“ Arbeitszeugnisse ausstellen. Doch sie verfügen über Techniken, um eine gute Beurteilung zu relativieren.

Techniken, um „gute“ Leistungen im Arbeitszeugnis zu relativieren

  1. Leerstellentechnik: Wenn der Arbeitgeber in bestimmten Bereichen mit seinem Arbeitnehmer unzufrieden war, kann er Elemente, die eigentlich ins Zeugnis gehören, einfach weglassen.
  2. Einschränkungstechnik: Der Arbeitgeber kann positive Aussagen auf bestimmte Aufgaben, Projekte oder Zeiträume beschränken und so deutlich machen, dass der Mitarbeiter sich nicht immer so positiv zeigte.
  3. Reihenfolgetechnik: Wenn Unwichtiges vor Wichtigem steht, bringt der Arbeitgeber dadurch seine Unzufriedenheit in einem bestimmten Bereich zum Ausdruck.
  4. Negationstechnik: Negatives kann von einem Arbeitgeber auch dadurch angedeutet werden, dass er das Gegenteil verneint: „Der Umgangston war nicht zu beanstanden“ heißt, dass der Umgangston nicht immer einwandfrei war. Oder: „Der Kundenkontakt führte zu nicht unerheblichen Umsatzsteigerungen“ bedeutet, dass die Umsätze nicht außergewöhnlich waren.
  5. Passivierungstechnik: Wenn der Arbeitgeber von seinem Mitarbeiter nur oder fast nur im Passiv spricht („…wurde beschäftigt…“), kann das so interpretiert werden, dass der Mitarbeiter über wenig Initiative und Engagement verfügt.

Mit diesen Hinweisen können Sie überprüfen, ob Ihr Arbeitgeber Ihnen wirklich ein „gutes“ Arbeitszeugnis ausgestellt hat oder ob er Techniken eingesetzt hat, um dieses zu relativieren.

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