Wenn Arbeitszeiterfassung keinen Sinn macht

In vielen Bereichen hat die Stempeluhr längst ausgedient. Dennoch müssen Mitarbeiter nicht auf Flexibilität verzichten. Sie passen ihre Arbeitszeit selbstständig den Bedürfnissen an. Dass sie dabei ihre vertragliche Arbeitszeit ableisten, ist Vertrauenssache – daher heißt diese Form der Arbeitszeitregelung auch Vertrauensarbeitszeit. Aber hat die Arbeitszeiterfassung nicht auch Vorteile? Ist es eine Modeerscheinung, auf sie zu verzichten?

Abgesehen von Produktionsbetrieben, in denen durch den Schichtbetrieb die Arbeitszeiterfassung schon immer selbstverständlich war, wurde sie nach und nach auch in Verwaltungs-, Handels- und Dienstleistungsbereichen eingeführt. Hintergrund war meist die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die eine Aufzeichnung der Anwesenheitszeiten – scheinbar – nötig machte. Mitarbeiter führten Zeitkonten und konnten über die Anhäufung von Zeitguthaben freie Tage "ansparen".

Nach anfänglicher Begeisterung für diese neue Freiheit wurde zunehmend die Frage gestellt, ob mit der Zeiterfassung wirklich das gemessen wird, was vom Mitarbeiter gefordert wird. Die Antwort fällt häufig negativ aus. Mit einem Zeiterfassungsgerät wird ausschließlich die Anwesenheitszeit gemessen, über Leistung gibt die Messung keine Auskunft. Je verantwortungsvoller die Arbeit ist, desto geringer ist in der Regel der Bezug zwischen Arbeitszeit und Arbeitsergebnis. Vereinbart wird – beispielsweise in jährlichen Mitarbeitergesprächen – dass bestimmte Ziele erfüllt werden. Dies wird anschließend auch bewertet. Gemessen wird jedoch die Arbeitszeit. Macht das wirklich Sinn?

Aus diesen Überlegungen entwickelte sich die Vertrauensarbeitszeit. Wie der Name sagt, bedingt der Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung ein gehöriges Maß an Vertrauen. Schließlich soll nicht durch die Hintertür eine feste Arbeitszeit wieder eingeführt werden. Mitarbeiter kommen und gehen innerhalb eines definierten Rahmens flexibel, je nach dem, wie ihre Aufgabe ihre Anwesenheit erfordert. Sie behalten die Flexibilität bei, die durch die Arbeitszeiterfassung eine Generation vorher ermöglicht wurde.

Erfolgreich ist dieses Konzept nur, wenn die Führungs- und Leistungskultur im Unternehmen dies zulässt und unterstützt. Wenn Vorgesetzte nach wie vor versuchen, Anwesenheiten zu kontrollieren, da dies vermeintlich einfacher ist, als sich über Inhalte auseinander zu setzen, geht die Rechnung nicht auf. Trifft die flexible Arbeitszeit ohne Zeiterfassung jedoch auf eine Kultur des Vertrauens und der Orientierung am Arbeitsergebnis, profitieren sowohl Mitarbeiter als auch Unternehmen davon.

Ein positiver Kosteneffekt entsteht auch durch den Verzicht auf die für die Zeiterfassung erforderliche Technik und die für die Pflege der Zeitkonten aufgewendeten Zeit und Arbeit. Für Mitarbeiter bedeutet der Verzicht auf die Führung eines Zeitkontos, dass sie einen freien Tag nicht einfach durch die geleisteten Stunden reklamieren können. Auch sie müssen arbeitsorientiert argumentieren.

Nein, eine Modeerscheinung ist es sicher nicht, über Vertrauensarbeitszeit zu diskutieren. Sie hat längst ihren Platz gefunden und wird in vielen Bereichen eingesetzt, in denen zielorientiert geführt wird. Gleichzeitig macht es Sinn, die Arbeitszeiterfassung dort beizubehalten, wo die Erbringung einer Anwesenheitszeit das Hauptbeurteilungskriterium ist oder wo es um die strenge Einhaltung von Dienstplänen geht. So ist jedes Unternehmen gefordert, das geeignete Modell zu wählen und zum Erfolg zu führen.