Wann Ihr Arbeitgeber auf das Integrationsamt verzichten kann

Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber schwerbehinderte Arbeitnehmer nur kündigen, wenn das Integrationsamt vorher seine Zustimmung gegeben hat. Ausnahme: das Arbeitsverhältnis besteht noch keine sechs Monate am Stück. Von diesem Grundsatz kann aber abgerückt werden, wenn der Arbeitgeber die Unterbrechung selbst veranlasst hat und ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen besteht (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 19. Juni 2007, Az.: 2 AZR 94/06).

Wann Ihr Arbeitgeber auf das Integrationsamt verzichten kann
In dem verhandelten Fall hatte eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin gegen ihre Kündigung geklagt. Sie war zunächst auf Grund eines befristeten Arbeitsvertrags für etwa sechs Monate mit 18 Pflichtstunden an einer Schule für Lernbehinderte eingesetzt worden.

Zu Beginn des neuen Schuljahrs schlossen dann der Arbeitgeber und die schwerbehinderte Arbeitnehmerin einen unbefristeten Arbeitsvertrag über 27,5 Pflichtstunden. Der Einsatz erfolgte an einer anderen Schule. Und zwar an einer Schule für geistig Behinderte. Etwa fünf Monate nach Abschluss des Vertrags kündigte der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis, ohne zuvor beim Integrationsamt eine Zustimmung einzuholen.

Klage der schwerbehinderten Arbeitnehmerin war erfolgreich
Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin war erfolgreich. Denn nach § 85 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) muss ein Arbeitgeber, der einem schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen will, vorher die Zustimmung beim Integrationsamt einholen.

Ohne die vorherige Zustimmung darf nur gekündigt werden, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als sechs Monate bestand hat (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).

Wird das Beschäftigungsverhältnis aber allein auf Veranlassung des Arbeitgebers für eine verhältnismäßig kurze Zeit unterbrochen (hier: Sommerferien) können auf die Wartezeit auch die Zeiten des früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber anzurechnen sein.

Beschäftigungsdauer: Enger sachlicher Zusammenhang ist entscheidend Voraussetzung für eine solche Zusammenrechnung ist, dass das neue Arbeitsverhältnis mit dem früheren Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang steht. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem Anlass und der Dauer der Unterbrechung sowie der Art der Weiterbeschäftigung. Befristetes Arbeitsverhältnis muss angerechnet werden
Nach diesem Grundsatz war die sechsmonatige Wartezeit im Streitfall erfüllt. Das unbefristete Arbeitsverhältnis bestand zwar bei Zugang der Kündigung noch keine sechs Monate. Die Zeit des vorhergehenden befristeten Arbeitsverhältnisses war aber auf die Wartezeit anzurechnen. Denn zwischen den beiden Beschäftigungsverhältnissen bestand ein enger sachlicher Zusammenhang.

Praxis-Tipp
Prüfen Sie als Betriebsrat im Rahmen der Anhörung, ob Ihr Arbeitgeber die Zustimmung zur Kündigung beim zuständigen Integrationsamt eingeholt hat, bzw. ob die Zustimmung durch das Integrationsamt im betreffenden Fall ausnahmsweise entbehrlich ist. Ist das nicht der Fall und hat Ihr Arbeitgeber diese Zustimmung nicht eingeholt, sollten Sie Ihre Zustimmung zu der Kündigung verweigern.

Beachten Sie: Hat das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung erteilt, kann Ihr Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats erklären. Das gilt ebenfalls, wenn es sich um eine ordentliche Kündigung handelt. Im Fall einer außerordentlichen Kündigung muss Ihr Arbeitgeber sogar innerhalb von zwei Wochen nach dem Ereignis handeln, das die Kündigung ausgelöst hat.

Weisen Sie betroffene Kollegen im Zweifelsfall darauf hin. Auch diese Frist gibt immer wieder Anlass, eine Kündigungsschutzklage einzureichen.