Der Arbeitgeber kann ab dem ersten Krankheitstag vom Beschäftigten ein Attest verlangen. Dem Arbeitgeber wird ausdrücklich das Recht eingeräumt, eine AU-Bescheinigung auch früher als nach den üblichen drei Tagen zu verlangen. Dieses Recht räumt der Gesetzgeber dem Arbeitgeber ein, weil dieser ein effektives Mittel zur Kontrolle der Vertragstreue des Arbeitnehmers und damit auch seiner eigenen Leistungspflicht haben muss.
Ausschließen kann das ein Tarifvertrag oder eine mit dem Betriebsrat abgeschlossene freiwillige Betriebsvereinbarung. Als Faustregel gilt bislang eine Bescheinigung ab dem dritten Tag. Der Arbeitgeber muss auch nicht begründen, warum er das Attest sofort haben will. Mit dem in der Rechtsprechung bestätigten Wortlaut "unverzüglich" hat der Erkrankte sich so schnell wie möglich arbeitsunfähig zu melden – am besten vor Beginn der Arbeitszeit.
Besteht eine vom Arbeitgeber festgelegte Verpflichtung, eine AU-Bescheinigung vom ersten Tage an vorzulegen, zählen nicht nur Arbeitstage, sondern jeder Kalendertag, also auch Samstage, Sonntage und Feiertage. Das Attest muss auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit vom Arzt ausgestellt sein und nicht auf den ersten Tag, an dem es beim Arbeitgeber vorliegen muss.
Welche Rolle hat der Betriebsrat?
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht nur ausnahmsweise in den Fällen des § 5 Abs. 1 EFZG, in denen der Arbeitgeber in genereller Art von seinem Recht Gebrauch macht, von dem erkrankten Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits für den ersten, zweiten oder dritten Krankheitstag zu verlangen.
Kollektiver Tatbestand
Verlangt also der Arbeitgeber die Bescheinigung ab dem ersten Tag nur von einem oder von wenigen Arbeitnehmern, dann besteht für den Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Vorschriften über die Pflicht des Arbeitnehmers, im Falle einer Krankheit ein ärztliches Attest vorzulegen, ist eine Frage der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG setzt aber einen kollektiven Tatbestand voraus. Es müssen also eine Vielzahl von Arbeitnehmern betroffen sein.
Pressemitteilung
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. November 2012 – 5 AZR 886/11 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 14. September 2011 – 3 Sa 597/11 –
Beispiel: Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die Klägerin ist bei der beklagten Rundfunkanstalt als Redakteurin beschäftigt. Sie stellte für den 30. November 2010 einen Dienstreiseantrag, dem ihr Vorgesetzter nicht entsprach. Eine nochmalige Anfrage der Klägerin wegen der Dienstreisegenehmigung am 29. November wurde abschlägig beschieden.
Am 30. November meldete sich die Klägerin krank und erschien am Folgetag wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, künftig schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest vorzulegen. Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Widerruf dieser Weisung begehrt und geltend gemacht, das Verlangen des Arbeitgebers auf Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits für den ersten Tag der Erkrankung bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung. Außerdem sehe der für die Beklagte geltende Tarifvertrag ein derartiges Recht nicht vor.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Die Ausübung des dem Arbeitgeber von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts steht im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Eine tarifliche Regelung steht dem nur entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließt. Das war vorliegend nicht der Fall.