Vor Verdachtskündigung müssen Sie auch entlastende Fakten prüfen

Sie können ein Arbeitsverhältnis nicht nur kündigen, wenn feststeht, dass ein Mitarbeiter schwere Pflichtverletzungen wie z. B. Straftaten begangen hat. Das BAG erkennt auch eine sogenannte Verdachtskündigung, wegen des Verdachts von Pflichtverletzungen, an. Die Voraussetzungen sind aber streng. So müssen Sie z. B. auch den Arbeitnehmer entlastende Umstände in die Prüfung vor der Kündigung einbeziehen.

Richtigerweise setzten die Gerichte bei einer Verdachtskündigung hohe Hürden. Dabei bildet der durch den Verdacht einer schweren Pflichtverletzung entstehende Vertrauensverlust zu dem Arbeitnehmer den Grund für die Kündigung. Insbesondere folgende Voraussetzungen müssen Sie dabei beachten:

  • Der Verdacht muss objektiv durch bestimmte, im Zeitpunkt der Kündigung vorliegende (Indiz-)Tatsachen begründet sein. Ein bloßes Gefühl, der Mitarbeiter verhalte sich so komisch oder irgendwas sei nicht korrekt, reicht daher nicht. Tatsachen können z. B. nachgewiesene Kassendifferenzen oder Beobachtungen anderer Mitarbeiter, der zu Kündigende habe Material von der Baustelle in sein Privatfahrzeug ein- und hinterher zu Hause wieder ausgeladen.
  • Sie müssen den Mitarbeiter zu dem Verdacht anhören und ihm Gelegenheit geben, den Verdacht auszuräumen. Zu einem entsprechenden Gespräch sollten Sie auf jeden Fall einen Zeugen hinzuziehen, damit Sie den Gesprächsverlauf  beweisen und sich selbst vor dem Vorwurf von Bedrohungen usw. schützen können.
  • Der Verdacht muss sich aus Umständen ergeben, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Er muss darüber hinaus schwerwiegend sein. Sie müssen prüfen, ob eine große Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gekündigte Arbeitnehmer eine Straftat begangen hat.

Arbeitgeber ist vor Verdachtskündigung zur umfangreichen Sachverhaltsaufklärung verpflichtet

Insbesondere zu dem letzten Punkt hat das LAG Schleswig-Holstein im Urteil vom 19.06.2013, Az.: 3 Sa 208/12, entschieden, dass Sie zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung verpflichtet sind. Dabei dürfen Sie nicht nur Fakten zulasten des Arbeitnehmers zusammentragen. Vielmehr müssen Sie auch prüfen, ob es entlastende Fakten gibt, die gegen den Verdacht einer strafbaren Handlung sprechen.

In dem konkreten Fall wurde einem Monteur für Spielautomaten von seinem Arbeitgeber vorgeworfen, er habe Geld aus den Automaten unterschlagen. Dieser verteidigte sich u.a. damit, dass er kein Geld entwendet habe. Möglicherweise sei ihm in einer sehr chaotischen Situation beim Kunden ein Fehler (beim Ausfüllen der entsprechenden Formulare) unterlaufen. Die Richter waren der Ansicht, der Arbeitgeber hätte vor der Verdachtskündigung mit dem Kunden reden müssen, um zu erfahren, ob die Situation tatsächlich so chaotisch war, wie der Mitarbeiter das dargestellt hatte.

Und genauso wichtig: Bestehen verschiedene Möglichkeiten, mit denen ein ausgewiesener Differenzbetrag erklärt werden kann, kann nicht einseitig zulasten des Arbeitnehmers davon ausgegangen werden, er habe sich den Betrag durch eine strafbare Handlung angeeignet.

Dokumentieren Sie Ihre Bemühungen zur Sachverhaltsaufklärung

Da Sie als Arbeitgeber dafür darlegungs- und beweispflichtig sind, dass Sie den Sachverhalt umfassend ermittelt haben, sollten Sie Ihre dies bezüglichen Bemühungen dokumentieren (Zeugen, Gesprächsnotizen, Fotos usw.)

Teilen Sie dem Betriebsrat auch die entlastenden Umstände mit

Im Rahmen der nach § 102 BetrVG vor der Kündigung erforderlichen Betriebsratsanhörung teilen Sie dem Betriebsrat nicht nur belastende, sondern auch möglicherweise entlastende Umstände mit. Sonst ist die Verdachtskündigung alleine aus diesem Grund unwirksam.