Stottern als Diskriminierungsgrund: Was können Sie tun?

Wer aufgrund einer Behinderung bei der Mitarbeiterbewerbung benachteiligt wird, dem kann Schadensersatzanspruch zustehen. Im Alltag werden Menschen mit der Sprechstörung Stottern immer wieder diskriminiert, etwa bei der Bewerbung. Dagegen kann eine gute verbale Kommunikation Voraussetzung für eine Stelle sein. Welche Ansprüche Betroffenen im Fall einer Benachteiligung zustehen, lesen Sie hier.

Wenn Sie als Stotterer bei einer Berufsbewerbung benachteiligt werden, sollten Sie Ihre Rechte kennen. Im folgenden Artikel geben wir Ihnen einige Informationen zum Thema.

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Wann ist Stottern eine Behinderung?

Stottern wird als Sprechstörung wahrscheinlich nur in Ausnahmefällen mit einem Schwerbehinderungsgrad von mehr als 50 Prozent anerkannt. Wenn es um eine Ungleichbehandlung im Arbeitsleben oder bei einer Stellenausschreibung geht, können schwerbehinderte Menschen ihre Ansprüche zunächst auf § 81 ff. neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX) stützen, nicht aber einfach behinderte Menschen, deren Grad der Schwerbehinderung unterhalb 50 liegt.

Einfach Behinderten kann andererseits im Fall einer Diskriminierung ein Entschädigungsanspruch nach den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zustehen. Das AGG schützt auch einfach behinderte Menschen, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Grundsatzentscheidung betont (BAG, Entscheidung v. 27.01.2011, Az.: 8 AZR 580/09).

Antidiskriminierungsgesetz (AGG)

Bewerber mit einer Sprechstörung, wie zum Beispiel Stottern, können im Fall einer Ungleichbehandlung ihre Ansprüche auf § 15 Antidiskriminierungsgesetz (AGG, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) stützen, insbesondere Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Dabei muss jedoch nach den Einstellungschancen des Bewerbers differenziert werden. Wenn er auch ohne Ungleichbehandlung die Stelle nicht bekommen hätte, ist der Schadensersatz auf maximal drei Monatsgehälter begrenzt. Das hat das BAG bestätigt (BAG, Urteil v. 17.08.2010, Az.: 9 AZR 839/08).

Merkmale für Benachteiligung aufgrund von Stottern

Neben der Benachteiligung setzt ein Anspruch auf Entschädigung voraus, dass diese kausal auf die Behinderung zurückzuführen ist. Das ist der Fall, wenn die Behinderung Ursache für die Ungleichbehandlung war. Bei Sprechstörungen gibt es eine klassische Diskriminierung in der Bewerbungssituation. So wird die Absage häufig auf mangelndes Kommunikationsverhalten gestützt.

Fehlende Kommunikationsfähigkeit wegen Stottern?

Ein Jobcenter begründete zum Beispiel die Absage nach einem Vorstellungsgespräch an einen Bewerber mit einer Sprachstörung, dass sich andere Bewerber als "kommunikationsstärker" erwiesen hätten. In dem vor Gericht vorgelegten Bewertungsbogen wurde seine negative Bewertung auf "große Kommunikationsprobleme" gestützt. Bei einem anderen Bewerber, der ebenfalls schlecht bewertet worden war, würden dagegen "Defizite im Kommunikationsverhalten" vorliegen. Der Bewerber mit der Sprachstörung wollte Schadensersatz fordern. Nachdem das Gericht seinen Antrag abgelehnt hatte, zog er vor das LAG Köln.

Prozesskostenhilfe (PKH) bei Bedürftigkeit

Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens musste das Landesarbeitsgericht (LAG) sich damit befassen, welche Erfolgschancen eine Diskriminierungsklage des Bewerbers hat. Im Gegensatz zum Arbeitsgericht, das in erster Instanz den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt hatte, beurteilten die Richter seine Aussichten im konkreten Fall anders. Nach der Sachlage hielten sie einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot durchaus für möglich und sprachen ihm einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) zu (LAG Köln, Beschluss v. 26.01.2012, Az.: 9 Ta 272/11).

Beweislastverteilung

In § 22 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Antidiskriminierungsgesetz) ist speziell geregelt, wer was vor Gericht beweisen muss. Kann der Bewerber nachweisen, dass eine diskriminierende Behandlung zu vermuten ist, wird diese als nachgewiesen angesehen. Diese Regelung kam dem Bewerber im zugrunde liegenden Fall zugute. Denn er konnte beweisen, dass ihm im Bewerbungsgespräch der zuständige Personaler seine fachliche Eignung bestätigt hatte. In diesem Fall obliegt der Nachweis dem Arbeitgeber, dass es nicht zu einem Verstoß gegen die Regelungen des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Antidiskriminierungsgesetz) gekommen ist (BAG, Entscheidung v. 27.01.2011, Az.: 8 AZR 580/09).