Bis zum Auftreten des Fernsehens kannte nur ein sehr kleiner Amteil (2%) der Bevölkerung das „Hochitalienische“. Dann – allmählich aber ständig – hat sich die nationale Sprache dank TV und Pflichtschule zu verbreiten angefangen. Noch heute gibt es aber sprachliche Varietäten in den verschiedenen Regionen.
Jahrhundertalte Gewohnheiten sind zählebig und gehören weiterhin zum Charakter eines Volks. Viele Merkmale der Dialekte sickern also – direkt oder indirekt – auch in die Nationalsprache durch. In diesem Artikel sollen Sie einige dieser dialektalen „Eindringlinge“ kennen lernen, damit Sie sie verstehen und verwenden lernen.
Italienische Varietäten in Piemont
Wenn Sie sich in dieser Region aufhalten, wird Ihnen auffallen, dass viele Sätze mit dem Partikel neh enden, wobei das „e“ sehr geschlossen ausgesprochen wird. Das ist als Betonung gemeint und dient dazu, dem Geäußerten mehr Kraft zu verleihen. Z.B.
- Tu sembri malato, neh? = Du siehst krank aus, nicht wahr/stimmt/oder?
- Non dovete mai più fare una cosa simile, neh? = Ihr dürft so etwas nie wieder tun, einverstanden?
Anderes ganz landschaftliches (und in Hochitalienisch lieber zu vermeidendes Merkmal) ist die Umwandlung von perché non in per non che in Sätzen wie z.B. Folgenden:
- Hochitalienisch: ho chiuso la porta perchè non entri aria
- Umgangssprachlich: ho chiuso la porta per non che entri aria = Ich habe die Tür zugemacht, damit keine Luft ‘reinkommt.
Häufig ist dann der Gebrauch des singularischen Subjekts anstelle des pluralischen:
- Hochitalienisch: ci sono molte macchine per strada
- Landschaftlich: c’è molte macchine per strada = Es sind viele Autos auf der Straße.
Wenn Sie jemand das Wort caramba aussprechen hören, da können Sie sicher gehen, dass von einem carabiniere die Rede ist. Caramba ist an und für sich kein Schimpfwort, sondern vielmehr scherzhaft gemeint (wie „Bobby“ für die Londoner Polizisten oder „Flic“ für die parisischen). Es ist aber besser, einen carabiniere nicht mit dieser Anrede anzusprechen.
Wenn Sie dann lokalen Wein trinken und lokale Gerichte zu billigen Preisen wollen, fragen Sie nach una piola: das ist eine Kneipe oder ein Wirtshaus, wo vor allem in der Vergangenheit auch komponiert und gesungen wurde. Die besten Volkslieder sind eben in solchen Lokalen entstanden!
Das Italienische in Ligurien
Ein Urlaub am ligurischen Meer kann Sie überraschen. Sie dürften jemanden besugo oder belìn schelten hören. Mit diesen beiden Wörtern muss etwas vorsichtig umgegangen werden. Besugo heißt im Genueser Dialekt „albern/dumm“ und belìn, ursprünglich etwas ordinär, ist heutzutage zu einem verstärkenden Füllwort (wie „Mensch!“) geworden und hat viel Vulgäres verloren. Es eignet sich für sehr informelle Zusammenhänge.
Es heißt, die Ligurer seien Geizhälse: deswegen sind sie immer sehr aufmerksam, wenn es um palanche geht! Das Wort bedeutet „Pinke/Knete“ und stammt aus palanca (Metallplatte), was an die alten Metallmünzen erinnert.
Und in Venetien?
Wenn man Sie in dieser Region zu un’ombreta (buchstäblich „Schättelchen“) einlädt, werden Sie ein kleines Glas Wein verzehren. Ombreta wahrscheinlich weil die Quantität des Weins klein ist, eben ein Hauch, ein Anflug von Wein. Achtung: die Einheimischen trinken l’ombreta zu jeder Zeit, egal ob bei vollem oder leerem Magen, und auch mehrmals am Tag. Es sei denn, Sie sind es gewohnt, lassen Sie sich nicht mitreißen!
Für mona gilt in mancher Hinsicht, was wir oben zum ligurischen besugo gesagt haben, wobei aber deutlich zwischen Folgendem unterschieden werden muss:
- la mona (weibliche Form des Substantivs) ist ordinär und kann Mädchen/Frauen beleidigen
- il mona (männlicher Form) ist hingegen scherzhaft, genau wie bei besugo und wird in Sätzen gebraucht, wie z.B.: va‘ in mona! = scher‘ dich zum Henker!
- Non fare il mona = stell dich nicht dumm an
Bildnachweis: Grischa Georgiew / stock.adobe.com