Soll ich Chef und Kollegen von meiner Weiterbildung erzählen?

Nicht jede Aus- und Weiterbildung findet die erhoffte und notwendige Anerkennung bei Vorgesetzten, Kollegen und Familienmitgliedern. Es gilt, potenzielle Stolperfallen zu erkennen und zu berücksichtigen.

Zu Beginn meiner Tätigkeit als Dozent in der Erwachsenenbildung hielt ich folgende TeilnehmerInnen-Aussagen für unmöglich : "Ich traue meinem Mann nichts von meinem Umschulungswunsch zu erzählen!" oder "Ich habe jetzt den Abschluss zur Personalfachkauffrau geschafft, aber meinem Betrieb werde ich erst einmal davon nichts erzählen!"

Nicht jede Ausbildung wird bekannt gegeben
Häufig stellen sich Teilnehmer an Aus-, Umschulungs- oder Fortbildungslehrgängen die Frage, ob es sinnvoll und notwendig ist, über die Teilnahme zu berichten. Dahinter können Überlegungen stehen, ob das Organisations- und Sozialgefüge im Unternehmen dadurch negativ beeinflusst wird, das Risiko eines Prüfungsmisserfolges "Gesichtsverlust" bedeutet oder es durch einen individuellen zusätzlichen Qualifikationserwerb zu Belastungen im eigenen Familiensystem kommen kann.

Das Unternehmensleitbild und das Organisationsgefüge müssen passen!
Nicht in jedem Klein- und Mittelständischem Unternehmen gibt es eine Kultur der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens. Die junge Personalfachkauffrau war in einem überwiegend mit gewerblich tätigen Kollegen in einem Speditionsunternehmen als "Allroundfrau" für das Personalwesen und für einfache Verwaltungsaufgaben tätig. Sie befürchtete, dass ihr Weiterbildungabschluss als "Loslösung von den geerdeten Chefs und Kollegen" fehlinterpretiert werden könnte.

In diesen Problembereich der Organisationsentwicklung stellen sich auch Absolventen die Frage, ob der Weiterbildungsabschluss in die Tätigkeitsprofile und Karrierepotenziale des Unternehmens passen oder ob dadurch zusätzliche Konkurrenz mit Kollegen erzeugt wird.

Familie sollte Weiterbildung akzeptieren und fördern
TeilnehmerInnen benötigen familiäre Anerkennung und Unterstützung. In dem oben aufgeführten Beispiel setzte ein angelernter Ehemann seine Frau als angehende Bürokauffrau soweit unter Druck, dass sie erwog – kurz vor Prüfungsabschluss – die Umschulung zu beenden.

Nebenbei: Es gab erfolgreiche Interventionen, die das verhinderten! Generell können Studienerfolge des Einen die systemische Balance einer Familie oder Ehe gefährden, deshalb müssen auch die Erwartungshaltungen des Anderen mit in das Kalkül einbezogen werden.

Wenn der Chef davon weiß, sollten es die Kollegen auch wissen.
Weiterbildungorientierte Unternehmen fördern die individuelle Weiterbildung und Personalentwicklung durch Zuschüsse zu den Lehrgangsgebühren oder durch Freistellungen. Um keine Konkurrenzverhältnisse "durch Tratsch und Klatsch" aufkommen zu lassen, ist größtmögliche Offenheit geboten. Davon sollten die betroffenen Kollegen und Kolleginnen nicht ausgenommen werden.