Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen nach HGB und IFRS

Eine Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist sowohl nach HGB als auch nach International Financial Reporting Standards (IFRS) zu bilden. Hierfür stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung.

Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen nach HGB
Für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, zu der das Unternehmen gemäß § 257 HGB und § 147 AO verpflichtet ist, ist im Jahresabschluss nach HGB eine Rückstellung zu bilden. Es handelt sich hierbei um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten, für die handelsrechtlich ein Passivierungsgebot besteht (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). Hieraus ergibt sich auch für die Steuerbilanz ein Passivierungsgebot (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).

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Die Aufbewahrungspflicht stellt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung dar, die bereits in dem Jahr wirtschaftlich verursacht wird, in dem die betreffenden Unterlagen entstanden sind (§ 257 HGB und § 147 AO).

Abbildung 1: Mögliche Aufwandspositionen für die Rückstellungsbildung

Einmaliger Aufwand (für die Einlagerung der am Bilanzstichtag noch nicht archivierten Unterlagen)
  • Kosten für Mikroverfilmung bzw.  Digitalisierung der Unterlagen
  • Kosten für Speichermedien (CD/DVD/Festplatten/Streamer etc.)
  • Externe Datensicherungskosten
Wiederkehrende Aufwendungen
  • Raumkosten des Gebäudes (Miete bzw. Gebäude-AfA, Instandhaltung, Versicherung, Grundsteuer, Nebenkosten, sonstige Raumkosten)
  • Einrichtungskosten des Archivs (AfA der Einrichtung)
  • Personalkosten (Hausmeister, Reinigung)

Folgende Kosten sind nicht rückstellungsfähig:

  • anteilige Finanzierungskosten für die Archivräume (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 a Buchstabe b EStG),
  • die Kosten für die zukünftige Anschaffung von zusätzlichen Regalen und Ordnern (§ 5 Abs. 4b Satz 1 EStG),
  • die Kosten für die Entsorgung der Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist,
  • die Kosten für die Einlagerung künftig entstehender Unterlagen.

Abbildung 2: Diese Fristen sind bei der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen zu beachten

Dauer der Aufbewahrung Unterlagen Rechtsgrundlage
10 Jahre
(öffentlich-rechtliche Verpflichtung)
Handelsbücher, Inventare
Eröffnungsbilanzen
Jahresabschlüsse, Lageberichte
Konzernabschlüsse
Konzernlageberichte
Organisationsunterlagen
sämtliche Buchungsbelege
§ 257 Abs.1 Nr.1 und 4 i.V.m. Abs.4 HGB
§ 147 Abs.1 Nr.1, 4 und 4a i.V.m. Abs.3 AO
6 Jahre
(öffentlich-rechtliche Verpflichtung)
Empfangene Handelsbriefe
Wiedergabe der abgesandten Handelsbriefe
§ 257 Abs.1 Nr.2 und 3 i.V.m.
Abs. 4 HGB
§ 147 Abs.1 i.V.m. Abs.3 AO
Privatrechtliche Verpflichtung Z.B. Aufbewahrung von Konstruktionszeichnungen für eine im Kundenauftrag erstellte Anlage Vertrag mit dem Kunden, aus dem sich die Aufbewahrungsverpflichtung ergibt

Eine umfangreiche Übersicht über (fast) alle Aufbewahrungsfristen von Geschäftsunterlagen finden Sie hier.

Abzinsung der Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen
Die Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist nach den Vorschriften des HGB abzuzinsen.

Hinweis: Steuerrechtlich die die Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen hin-gegen nicht abzuzinsen. Begründung: Für die Abzinsung einer Sachleistungsverpflichtung ist der Zeitraum von der erstmaligen Bildung der Rückstellung bis zum Beginn der Erfüllung maßgebend (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 a Buchstabe e S. 2 EStG). Da die Aufbewahrungspflicht der in § 147 AO und § 257 HGB genannten Geschäftsunterlagen mit dem Entstehen dieser Unterlagen beginnt, ergibt sich kein Zeitraum, für den eine Abzinsung vorzunehmen wäre.

Beispiel: Die X-GMBH nutzt einen Raum ihres Geschäftsgebäudes, um ihre Geschäftsunterlagen aufzubewahren. Für die Aufbewahrung fallen jährlich durchschnittlich

  • anteilige jährliche Raumaufwendungen von 1.200 Euro,
  • Abschreibungen für das Inventar in Höhe von 800 Euro und
  • mit der Aufbewahrung unmittelbar im Zusammenhang stehende Personal- und Verwaltungskosten von durchschnittlich jährlich 600 Euro an.

Die X-GmbH könnte grundsätzlich für die 10 Jahre aufzubewahrenden Unterlagen eine Rückstellung i.H.v. 10 Jahre x (1.200 + 800 + 600) = 26.000 EUR bilden. Diese Ermittlungsmethode ist jedoch nicht unbedenklich, denn es müsste eine Aufteilung vorgenommen werden für

  • Unterlagen, für die die 10-jährige Frist gilt,
  • Unterlagen, für die eine lediglich 6-jährige Aufbewahrungsfrist gilt und
  • Unterlagen, für die keine gesetzliche Aufbewahrungsfrist vorliegt.

Hinzu kommt, dass bei der Bewertung der Rückstellung die Zulässigkeit eines Ansatzes mit den Vollkosten nicht unumstritten ist. Ein (allerdings aufwendig zu ermittelnder) Ansatz mit den Einzelkosten zzgl. eines Teils der mit der Aufbewahrungspflicht in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Gemeinkosten ist hingegen zulässig.

Vereinfachte Methode zur Bildung einer Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen
Sie können die jährlich anfallenden Kosten für einen Archivraum, in dem die Unterlagen aller Jahre aufbewahrt werden, mit dem Faktor 5,5 multiplizieren. Eine Unterscheidung zwischen 10 und 6 Jahren braucht dann aus Vereinfachungsgründen nicht mehr vorgenommen zu werden.

Der Multiplikator ist allerdings nur auf die jährlich wiederkehrenden Aufwendungen anzuwenden (siehe Abbildung 1). Um eine aufwendige Trennung zwischen aufzubewahrenden und freiwillig aufbewahrten Unterlagen (für diese ist eine Rückstellungsbildung nicht möglich) nicht vornehmen zu müssen, erlaubt das Finanzamt einen pauschalen Abschlag von 20% auf die Kosten der Archivierung.

Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen nach IFRS
Rückstellungen sind nach International Accounting Standard 37 (IAS 37) bei Vorliegen der nachfolgenden Tatbestandsmerkmale zu bilden:

  • gegenwärtige – rechtliche oder faktische – Außenverpflichtung
  • aufgrund eines vorhergegangenen Ereignisses
  • mit wahrscheinlichem Abfluss von Ressourcen
  • bei zuverlässiger Schätzungsmöglichkeit der Verpflichtung

Da eine gesetzliche oder vertragliche Aufbewahrungspflicht vorliegt, können Sie bei der Bewertung der Rückstellung nach IAS 37 auf eine Vollkostenbetrachtung abstellen und die Aufwendungen wie nach HGB ermitteln. Im Unterschied zum Steuerrecht müssen Sie jedoch grundsätzlich eine Abzinsung der Rückstellung in Höhe des Barwertes der erwarteten Ausgaben vornehmen, wobei Sie auf den aktuellen Kapitalmarktzins zurückgreifen können.

Hinweis: IAS 37 verlangt nur bei wesentlichen Effekten eine Abzinsung. Bei vielen Archivierungsrückstellungen kann in der Regel darauf verzichten werden.