Qualifizierung für Aufsichtsräte?

Der Erwartungsdruck an die Aufsichtsräte großer Unternehmen wächst. Von ihnen werden in der Wirtschaftskrise Initiativen und Lösungen erwartet, die sie entweder aufgrund der rechtlichen Bedingungen oder der persönlichen fachlichen Voraussetzungen kaum bewältigen können.

Erwartungen an die Aufsichtsräte
Kaum ein Tag vergeht, in dem Aufsichtsräte nicht in das Rampenlicht des wirtschaftlichen Geschehens gezerrt werden. Vom Opel-Aufsichtsrat werden "Überlebensstrategien" erwartet, der Bahn-Aufsichtsrat muss in der Datenaffäre aktiv werden, der Aufsichtsrat der HSH-Nordbank steht unter massiver Kritik. Diese Liste lässt sich ohne Probleme verlängern, aber sind die großen Erwartungen auch gerechtfertigt?

Die Antwort kann nicht eindeutig sein. Der Aufsichtsrat ist per se ein anderes Organ als der Vorstand, er soll nur in Ausnahmefällen – wenn es die Satzung oder die Hauptversammlung vorsieht – Geschäftsführungstätigkeiten vorübergehend mit ausüben.

Aufgabenstellungen der Aufsichtsräte – qua Gesetz und in der Realität
§ 111 Aktiengesetz definiert den Rahmen der Tätigkeit:

  • Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.
  • Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften einsehen und prüfen.
  • Der Aufsichtsrat kann eine Hauptversammlung einberufen, wenn das Wohl des Unternehmens es erfordert.

Das sind wesentliche Aufgabenstellungen, die meines Erachtens in der heutigen Zeit der außenwirtschaftlichen Verflechtung der meisten bundesdeutschen Unternehmen nicht zu formal gehandhabt werden sollten. Strategische Fragen sind häufig relevanter als das Controlling der Daten post ante.

Trotzdem: Hinter diesen gesetzlichen Aufgaben steht die Idee des ordentlichen, verantwortungsbewussten, ehrbaren Kaufmannes. Das soll man in der jetzigen Zeit nicht unterschätzen und für zu gering achten, aber die informellen Ansprüche an die Aufsichtsräte sind höher als in den gesetzlichen Bestimmungen determiniert.

Die Anforderungen an die Qualität der Aufsichtsräte
In einem seltsamen Kontrast zu den formalen und informalen Ansprüchen stehen die gesetzlichen Passsagen im Aktiengesetz oder Mitbestimmungsgesetz. Hier findet man fachlich wenig, Sorgfaltspflicht und Verschwiegenheit scheinen höhere Güter zu sein als Persönlichkeit und Fachlichkeit. Dabei gab es kurz vor und nach der Einführung des Mitbestimmungsgesetzes 1976 eine heftige Debatte darüber, ob bei der paritätischen Mitbestimmung die Fachlichkeit der Arbeitnehmerseite ausreichend sei, um verantwortungsbewusste Entscheidungen mit zutreffen.

Diese einseitig geführte Debatte ist mit guten Gründen ad acta gelegt worden, aber müsste jetzt bei neuen globalen Anforderungen in der Krise nicht eine viel heftigere Debatte initiiert werden, die für einen Qualitätsschub auf beiden Seiten sorgen würde?

Zugegeben, eine nicht leicht zu führende Professionalisierungsdebatte; gibt es doch auch gute Gründe dafür, die Zahl der Aufsichtsratsmandate auf 10 zu beschränken und aus Korruptionsprävention auf die Vermeidung von Kreuzverflechtungen der Mandate zu achten. Ich denke auch nicht an den AR-Profi, sondern an den gut vorbereiteten und gebildeten Organteilnehmer.

Wie könnte man die Aufsichtsräte qualifizieren?
Das Anforderungsprofil für Aufsichtsräte ist hoch. Man müsste eine lange Reihe von Qualifikationsmerkmalen aufbauen, um dem "Profil Aufsichtsrat" gerecht zu werden. Vielleicht beginnt der Entscheidungsprozess für die Qualität schon vor den Wahlen zum Aufsichtsrat; jeder sollte sich prüfen, ob die eigenen Qualifikationen ausreichen? Nicht jeder gute Betriebsrat muss auch als Kandidat für den Aufsichtsrat geeignet sein.

Hilfreich sind für jedes aktive Aufsichtsratsmitglied

  • AR-Seminare bei den Gewerkschaften und Verbänden
  • Mithilfe von Beratern zur Bewertung von Geschäftsunterlagen
  • der Einsatz externe Strategieberater.

Die Mittel dafür stehen über die Tantiemen jedem einzelnen AR-Mitglied in ausreichender Höhe zur Verfügung.