Muss Ihr Azubi am Tag der Abschlussprüfung anschließend noch arbeiten?

Ausbildungsbetriebe müssen Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und für Prüfungen freistellen. Das geht aus §15 Berufsbildungsgesetz hervor. Aber was heißt das genau? Was ist beispielsweise, wenn die Prüfung um 11:00 Uhr vormittags beendet ist? Geht's dann noch ab in den Betrieb?

Ihre Verpflichtung nach dem Berufsbildungsgesetz können Sie durchaus wörtlich nehmen. Sie stellen für Prüfungen frei und damit haben Sie Ihre Pflicht getan. Was Sie allerdings aus rechtlicher Sicht noch beachten müssen, das sind Pausen- und Wegezeiten, die ausreichend berücksichtigt werden müssen.

Ist die Prüfung beispielsweise um 12:00 Uhr beendet und der Azubi braucht für den Weg von der Berufsschule in den Betrieb eine halbe Stunde, dann stehen ihm diese 30 Minuten zu – zuzüglich weiterer 30 Minuten Pausenzeit. Sie können den Azubi dann für 13:00 Uhr in den Betrieb einbestellen.

Aber macht das tatsächlich auch Sinn? Ich empfehle grundsätzlich, Auszubildende an Prüfungstagen komplett freizustellen. Schließlich haben sie einiges geleistet, die Konzentration hochgefahren und die meisten haben es verdient, den Rest des Tages frei zu haben. Teilen Sie Ihren Azubis ruhig mit, dass sie normalerweise noch in den Betrieb kommen müssten, Sie aber großzügig darauf verzichten. So tun sie auch etwas für die Bindung zu Ihren möglicherweise zukünftigen Mitarbeitern.

Beachten Sie: Gerade in der heutigen Zeit, in der Bewerbungen um Ausbildungsplätze rar sind und der Fachkräftemangel in vielen Branchen um sich greift, sind Maßnahmen sinnvoll, um als mitarbeiterorientiertes, soziales Unternehmen wahrgenommen zu werden. Wer Azubis nach der Prüfung noch im Betrieb arbeiten lässt, der verfehlt möglicherweise dieses Ziel.

Vorsicht, wenn der letzte Teil der Abschlussprüfung erfolgreich abgeschlossen wurde

Rechtlich relevant wird diese Thematik, wenn es sich um den letzten Teil der Abschlussprüfung handelt und der Azubi die Prüfung besteht. In dem Moment, in dem der Prüfungsausschuss dem Azubi das Prüfungsergebnis mitteilt, ist die Ausbildung nämlich beendet. Dann ist es ohnehin problematisch, den Azubi noch in den Betrieb zu bestellen. Sie sollten das auf keinen Fall tun – und zwar aus folgenden Gründen:

Wenn Sie nicht beabsichtigen, den Auszubildenden zu übernehmen, dann könnten Sie durch das Einbestellen des (ehemaligen) Azubis bewirken, dass ein Arbeitsvertrag begründet wird. Denn schließlich ist die Ausbildung beendet und Sie fordern den jungen Mitarbeiter zum Arbeiten auf. Hierbei ist zu beachten, dass ein Arbeitsvertrag auch mündlich und durch schlüssiges Handeln zu Stande kommen kann.

Wenn Sie beabsichtigen, den Azubi befristet zu beschäftigen, dann stehen Sie vor einer ähnlichen Problematik. Denn der Auszubildende arbeitet bei Ihnen, obwohl die Ausbildung beendet ist. Da ein unbefristeter Vertrag im Gegensatz zu einem befristeten Vertrag nicht an die Schriftform gebunden ist, könnte Ihre Absicht, einen befristeten Vertrag anzubieten, scheitern. Ein gut informierter ehemaliger Auszubildender könnte nämlich dann zu Recht verlangen, dass sein Arbeitsvertrag als unbefristet gilt.