Mobbing-Urteile: Was die Gerichte sagen

Warum gibt es keinen Mobbing-Paragraphen?
Gesetzliche Regelungen gibt es für beinahe jeden denkbaren Streitfall im Alltag. Bei einem derart gravierenden Thema wie Mobbing müssen sich die Juristen allerdings die Basis für ein Urteil aus diversen Paragraphen "zusammensuchen". Denn verschiedene Gesetze liefern die Grundlage für das juristische Ausfechten von Mobbingfällen. Lesen Sie hier von einigen Mobbing-Urteilen.

Welche Gesetze bilden die Grundlage vieler Mobbing-Urteile?
Gesetze, die dem Gemobbten Schutz und Hilfe bieten können, sind:

  • das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bzw. das weitgehend identische Bundespersonalvertretungsgesetz (BPversVG),
  • das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG),
  • das Sozialgesetzbuch (SGB),
  • das Strafgesetzbuch (StGB),
  • das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und
  • das Grundgesetz (GG).

Grundgesetz (GG)

  • Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
  • Artikel 2: Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der  Gerechtigkeit in der Welt.

Für Betroffene in Unternehmen ohne Betriebsrat oder Personalrat sind dabei besonders das Strafgesetzbuch und das Bürgerliche Gesetzbuch wichtig. Die wichtigsten Paragraphen (aus "Schluss mit Mobbing!" von Jürgen W. Goldfuß):

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

  • § 23 Verletzung gesetzlicher Pflichten  
  • § 74 Grundsätze für die Zusammenarbeit  
  • § 75 Grundsätze für die Behandlung der Betriebsangehörigen
  • § 80 Hier werden die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats (insgesamt 9) genannt, darunter gehört z.B. die Aufgabe, beim Arbeitgeber Maßnahmen zu beantragen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen oder die Aufgabe, die Beschäftigung im Betrieb zu fördern.
  • § 84 Beschwerderecht
  • § 85 Behandlung von Beschwerden durch den Betriebsrat (1) Der Betriebsrat hat Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und, falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken.
  • § 104 Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer  

Arbeitsschutzgesetz

  • § 17 Rechte der Beschäftigten  

Zuständige Behörde sind die Gewerbeaufsichtsämter. In einem Schreiben an die Leitung des Amts kann auf die Verantwortung des Amtes für die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes hingewiesen werden und es können Maßnahmen gegen psychische Gewalt am Arbeitsplatz eingefordert werden.    

Fünftes Buch Gesetzliche Krankenversicherung

  • § 20 Prävention und Selbsthilfe

Ist anzunehmen, dass bei einem Versicherten eine berufsbedingte gesundheitliche Gefährdung oder eine Berufskrankheit vorliegt, hat die Krankenkasse dies unverzüglich den für den Arbeitsschutz zuständigen Stellen und dem Unfallversicherungsträger mitzuteilen.

Siebtes Buch Gesetzliche Unfallversicherung

  • § 14 Grundsatz

Die Unfallversicherungsträger haben mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen. Sie sollen dabei auch den Ursachen von arbeitsbedingten Gefahren für Leben und Gesundheit nachgehen.

Strafgesetzbuch

  • § 185 Beleidigung: Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • § 186 Üble Nachrede: Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn   nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit   Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen   ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • § 187 Verleumdung: Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder   verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • §223 Körperverletzung: Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit  Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.
  • §240 Nötigung
  • §241 Bedrohung  

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • § 823 Schadensersatzpflicht: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
  • § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
  • § 847 Schmerzensgeld:  Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.  
  • § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

Gerade die letztgenannten Artikel sind zwar allumfassend und klingen edel, sind aber nicht besonders konkret. Trotzdem waren diese Artikel des Grundgesetzes die Basis für die Urteilsfindung in einem bahnbrechenden Prozess zum Thema Mobbing.

Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Thüringen veröffentlichte ein Mobbing Urteil mit folgendem Leitsatz:

"Der Staat, der Mobbing in seinen Dienststellen und in der Privatwirtschaft zulässt oder nicht ausreichend sanktioniert, kann sein humanitäres Wertesystem nicht glaubwürdig an seine Bürger vermitteln und gibt damit dieses Wertesystem langfristig dem Verfall preis. Entsprechend dem Verfassungsauftrag des Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz muss die Rechtsprechung in Ermangelung einer speziellen gesetzlichen Regelung in Verantwortung gegenüber dem Bestandsschutz der verfassungsmäßigen Wertordnung und zur Gewährleistung der physischen und psychischen Unversehrtheit der im Arbeitsleben stehenden Bürger gegenüber Mobbing ein klares Stoppsignal setzen."

Vielleicht gibt der Text dem einen oder anderen Betroffenen neue Denkansätze, aufgrund welcher Tatbestände er sein Recht einfordern könnte.