Wie funktioniert das Zeitverständnis?
Grundsätzlich gibt es, wie bei allen Kulturdimensionen einen Grundkonsens der sich in einer Gesellschaft ergibt. Also ein Mittelwert der Einstellungen aller Personen einer Gesellschaft. Die Kulturdimensionen können regional oder von Person zu Person in einem Land unterschiedlich sein. Daher gibt es keine allgemeingültige Lösung, aber eine Tendenz.
Kurzfristiges Zeitverständnis: Die Dinge nacheinander bearbeiten
In der kurzfristigen Betrachtung von Zeit gibt es als Erstes die Möglichkeit, Aufgaben nacheinander zu erledigen. Hierzu gibt es in der Literatur die Begriffe wie monochromes-, lineares-, einzeitiges- oder sequentielles Zeitverständnis. Dabei steht die strukturierte Abarbeitung von Aufgaben im Vordergrund, nicht die Beziehungen zur Personen.
Die meiste Zeit wird exakt verplant und das Vorgehen ist schrittweise. Änderungen, die zu diesem Plan auftreten, finden keinen Platz und werden meistens als störend empfunden. Pünktlichkeit ist ein wichtiges Gebot.
Der Informationsaustausch über Daten, Fakten, Qualität und Rationalität stehen dabei im Vordergrund. Entscheidungen gehen dabei über offizielle Wege in der Unternehmensorganisation. Regeln und Vorschriften sind für Personen aus monochromen Kulturen sehr wichtig.
In diesem Zusammenhang kann auch von linear-aktivem Handlungsablauf gesprochen werden. Aufgaben und Probleme werden in diesen Kulturen auch offen und direkt angesprochen und bearbeitet.
Kurzfristiges Zeitverständnis: Die Dinge gleichzeitig bearbeiten
In der kurzfristigen Betrachtung von Zeit, gibt es als zweite Möglichkeit, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Unterbrechungen sind hier die Regel und das strukturierte Arbeiten eher die Ausnahme. Zu dieser Art, Aufgaben zu bearbeiten, gibt es in der Literatur die Begriffe polychromes-, vielzeitiges-, paralleles- oder synchrones Zeitverständnis.
In der Kulturdimension des polychromen Zeitverständnisses sind persönliche Beziehungen von großem Wert, nicht die Aufgaben. Personen erledigen mehrere Aufgaben auf einmal und halten sich weniger an Termine und exakte Planung. Ihr Arbeitstag ist weniger durchorganisiert. Vorschriften und Regeln sind weniger wichtig. Meistens sind Personen aus polychromen Kulturen flexibler und können besser improvisieren.
In diesem Zusammenhang kann auch von multi-aktivem Handlungsablauf gesprochen werden. Aufgaben und Probleme werden hier nicht direkt angesprochen, sondern werden zwischen den Zeilen beziehungsfähig verpackt.
Langfristiges Zeitverständnis
In der langfristigen Betrachtung von Zeit, gibt es wie in der kurzfristigen Betrachtung, die Unterteilung von monochromen- und polychromen Zeitverständnis. In der langfristigen, monochromen Betrachtung gibt es die Abfolge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Diese Abfolge ist linear gedacht. In der langfristigen, polychromen Betrachtung von Zeit verschwimmt die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Zeitverständnis und alle drei Zeitbereiche bekommen eine gemeinsame Abhängigkeit.
Darstellungsart vom langfristigen Zeitverständnis
Der Kulturforscher Cottle hat dazu einen sogenannten Kreistest entwickelt. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft können in konzentrischen Kreisen abgebildet werden. Dabei stellt die Größe der Kreise die Wichtigkeit des Zeitabschnittes für die Kultur dar. Berührungen oder Überlappungen beschreiben die Verbindung von den drei Zeitabschnitten, also wie weit die Vergangenheit und Zukunft in die Gegenwart der Kultur einer Gesellschaft mit einbezogen wird.
Hierin liegt auch die Ausrichtung einer Kultur in traditionellem Handeln, wenn diese mehr vergangenheitsbezogen ist. Auf der anderen Seite ist eine Kultur innovativ, wenn sie mehr auf die Zukunft ausgerichtet ist.
Hofstede hat in der Betrachtung von Zeit als Lebensorientierung mit in seine Kulturdimensionen in einer Überarbeitung von M.H. Bond übernommen. Bond hat die kurzfristige- beziehungsweise langfristige Lebensorientierung als Planungshorizont von Personen in einer Gesellschaft als eine Kulturdimension beschrieben. Bond hat diese weitreichende Zeitbetrachtung aus der Lehre des Konfuzius übernommen. Daher spricht Bond auch von konfuzianischer Dynamik.
Der Pol der kurzfristigen Lebensorientierung, ist auf die Vergangenheit und Gegenwart bezogen und beschreibt statische Dimensionen. Dies sind zum Beispiel persönliche Standhaftigkeit, Wahrung des Gesichts, Respekt vor der Tradition oder Erwiderung von Gefälligkeiten. Dies ist also das Pflegen von Werten, die auf die Vergangenheit und Gegenwart bezogen ist.
Der entgegengesetzte Pol der langfristigen Lebensorientierung ist auf die Zukunft bezogen. Diese Dimension ist mehr dynamisch. Diese sind zum Beispiel Ausdauer, Ordnung der Beziehungen nach Status, Einhaltung der sozialen Ordnung oder Sparsamkeit. Dies ist also das Pflegen von Tugenden.
Abschließend beschreibt der Kulturforscher Edward T. Hall die Dimension der Informationsgeschwindigkeit. Dies kann sehr einfach in den Medien beobachtet werden. Viele, kurze Informationen werden in monochromen Kulturen benutzt. Ausführliche, aussagekräftige Informationen sind eher in polychromen Kulturen zu finden.
Wenn Sie Mitarbeiter aus unterschiedlichen Kulturen führen, achten Sie darauf, dass es zwei verschiedene Möglichkeiten gibt, Aufgaben zu bearbeiten. Zum Einen zeitlich nacheinander und zum Andern zeitlich verschachtelt. Besonders bei interkulturellen Gruppen ist die unterschiedliche Arbeitsorganisation einzelner Mitarbeiter zu beachten. Sehen Sie daran geknüpft auch immer, dass es einen aufgabenbezogenen- und einen personenbezogenen Lösungsweg gibt.