Kündigung während der Ausbildung: Was Emmily bewirkt

Das Bundesarbeitsgericht hat für viele Experten überraschend dem Fall Emmily eine Wendung gegeben. Eine Kündigung wegen des Diebstahls von 1,30 EUR ist danach nicht gerechtfertigt. Was bedeutet das nun für den Bereich Ausbildung?

Ein Auszubildender, der klaut, ist normalerweise nicht mehr tragbar. Oftmals ist dann auch unter den erschwerten Bedingungen Kündigung während der Ausbildung fällig. Allerdings: Das gilt nicht, wenn ein Bonbon vom Tisch des Kollegen stibitzt wird. Es gilt aber wohl, wenn die Geldbörse dieses Kollegen hinterrücks geleert und das auch nachgewiesen wird. Der Fall Emmily hat den Aspekt der Geringfügigkeit nun in einem neuen Licht erscheinen lassen.  

Emmily: Gerichte bewerteten die Kündigung unterschiedlich 
Emmily machte bundesweit Schlagzeilen, weil ihr wegen des Diebstahls von Pfandmarken (Wert 1,30 EUR) fristlos gekündigt wurde. Durch die Nation ging ein Aufschrei, denn sowohl das zuständige Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht bestätigten die Kündigung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) dagegen wog zugunsten der Arbeitnehmerin ab: Es stellte den Wert der Pfandmarken gegen die 31-jährige Betriebszugehörigkeit von Emmily. Die Kündigung ist somit doch nicht wirksam. Wie wäre das allerdings im Falle einer Ausbildung?

Während einer Ausbildung kann es natürlich nicht zu einer jahrzehntelangen Betriebszugehörigkeit kommen. Insofern entfällt dieses Argument. Allerdings ist zu beachten: Eine Kündigung während der Ausbildung wird von der Arbeitsgerichtsbarkeit als besonders gravierend eingestuft. Die Hürden liegen höher als in einem “normalen“ Arbeitsverhältnis.

Durch das Gerichtsurteil des BAG zum Fall Emmily haben die Interessen des Gekündigten an Bedeutung gewonnen. Das gilt auch für die Interessen von Arbeitnehmern, die Auszubildende sind. 

Gerichte werden nach Emmily also bei einer Kündigung noch genauer schauen 

  • wie groß der Schaden für das Unternehmen ist,
  • ob das Vertrauensverhältnis zwischen Azubi und Ausbildungsbetrieb tatsächlich irreparabel zerstört ist,
  • wo genau der Auszubildende eingesetzt wird (z. B. Kasse, Bankschalter) und
  • wie lange die Ausbildung bereits im Gange ist (je weiter fortgeschritten, desto höher liegen die Hürden für eine gerechtfertigte Kündigung) .

Gehen Sie davon aus, dass sich durch das Urteil des BAG im Falle Emmily auch in der Ausbildung der schmale Grat zwischen Geringfügigkeit und nennenswertem Diebstahl zugunsten des Auszubildenden verschoben hat. Daher sollte im Zweifelsfall auch eine Abmahnung (statt einer Kündigung) in Erwägung gezogen werden.