Doch was ist, wenn sich Ihre Gemeinschaft in so einer Situation gegen eine Notreparatur entscheidet und stattdessen beschließt, erst einmal ein Sachverständigengutachten einzuholen?
Genau diese Frage hatte das Amtsgericht Kassel zu beantworten und entschied: Der Beschluss zur Einholung eines Sachverständigengutachtens genügt nicht, um einen Anspruch auf Vornahme einer Notreparatur zu befriedigen (Urteil v. 17.05.18, Az. 800 C 4100/17).
Gemeinschaft lehnte Notreparatur ab und beauftragt später Gutachter
In einer Wohnungseigentumsanlage wurde Wassereintritt in die Wohnung eines Eigentümers festgestellt. Dieser wurde durch eine Undichtigkeit des Flachdaches des Gebäudes verursacht. In der im September 2017 durchgeführten Eigentümerversammlung beantragte der betroffene Eigentümer eine Notreparatur durchzuführen. Dieser Antrag wurde jedoch mehrheitlich abgelehnt. Auch die Beauftragung eines Gutachters wurde abgelehnt. Der betroffene Eigentümer erhob Klage gegen die Ablehnung der Notreparatur. Erst im März 2018 beschlossen die Eigentümer die Einholung eines Gutachtens zur Feststellung der Ursachen des Eintrittes von Regenwasser in die Wohnung des klagenden Eigentümers. Das Gericht hatte nun darüber zu entscheiden, ob die Ablehnung der Notreparatur in der ersten Eigentümerversammlung zu Recht erfolgt ist.
Gemeinschaft hätte Notreparatur beschließen müssen
Das Gericht entschied: Die Ablehnung der Notreparatur widersprach dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung. Jeder Eigentümer kann eine Verwaltung verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entspricht (§ 21 Abs. 4 WEG). Eine solche Verwaltung hat auch zu berücksichtigen, dass Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum instandzusetzen sind, insbesondere dann, wenn eine Schadensvertiefung einzutreten droht. Das gilt auch dann, wenn die drohende Schadensvertiefung Teile des Sondereigentums betrifft.
Im Urteilsfall war in der Wohnung des klagenden Eigentümers ein enormer Feuchtigkeitsschaden vorhanden, unter anderem konnten dort Durchfeuchtungen an Wänden und Decken bis hin zur Bildung von Stockflecken und herabfließendes Wasser festgestellt werden. Teilweise befanden sich die Feuchtigkeitsspuren auch im Bereich von Elektroinstallation, was ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellte, da die Gefahr von Kurzschlüssen bestand. Daher konnte der klagende Eigentümer die Notreparatur beanspruchen.
Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, dass die beantragte Notreparatur die Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht ausschließt. Die Gemeinschaft hätte also durchaus beides beschließen können. Stattdessen haben die Eigentümer aber in der ersten Eigentümerversammlung keine Maßnahme beschlossen. Die Verweigerung jedweder Maßnahmen entspricht angesichts der gravierenden Schäden und der Gefahr der Schadensausweitung nicht dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung.
Die Anfechtungsklage ist auch nicht deswegen hinfällig geworden, weil in der zweiten Eigentümerversammlung dann doch beschlossen wurde, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das Gericht: Dieser Beschluss entspricht nicht dem Antrag des klagenden Eigentümers, die Durchführung von Notreparaturmaßnahmen zu beschließen.
Fazit: Bei einer starken Schädigung von Sonder- oder Gemeinschaftseigentum durch einen Mangel am Gemeinschaftseigentum muss Ihre Gemeinschaft eine Notreparatur beschließen, um eine Ausweitung des Schadens zu verhindern. Es reicht dann nicht, einen Sachverständigen zu beauftragen. Einen Beschluss zur Beauftragung eines Sachverständigen können Sie zusätzlich zur Notreparatur beauftragen. Priorität hat aber – wie Sie anhand dieses Urteils erkennen können – das Ausweiten von Schäden zu verhindern.
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