Ist sexuelle Belästigung immer ein Kündigungsgrund?

Im vorliegenden Fall ging es um einen 1968 geborenen Kläger, welcher in einem weltweittätigen Maschinenbauunternehmen als Vertriebsingenieur arbeitete. Der Arbeitgeber wirft dem Kläger vor, eine sexuelle Belästigung eines anderen Mitarbeiters auf einer Vertriebskonferenz begangen zu haben.

Der konkrete Sachverhalt der sexuellen Belästigung

Anlässlich eines gemeinsamen Abendessens der Konferenzteilnehmer soll der Kläger einen anderen Konferenzteilnehmer – den Mitarbeiter einer Tochtergesellschaft der Beklagten, gegen 21:15 Uhr dadurch sexuell belästigt, dass er diesen, der mit anderen Konferenzteilnehmern stehend im Gespräch vertieft war, auf dem Weg zur Toilette zunächst mit der Hand in der Magengegend angefasst und dann auf dem Rückweg von hinten mit den Armen auf Höhe der Magengegend umschlungen und sich an ihn gepresst haben. Letzteres habe den Mitarbeiter der Tochtergesellschaft angewidert und abgestoßen, weshalb er sich einen Monat später mit einer E-Mail an den Vorgesetzten des Klägers gewandt habe. Der Arbeitgeber reagierte hierauf mit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung.

Die  Einschätzung des Arbeitsgerichts

Der betroffene Arbeitnehmer erhob hiergegen Kündigungsschutzklage und begehrte eine Weiterbeschäftigung als Vertriebsingenieur. Das Arbeitsgericht hat mit seinem Urteil der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben, den Weiterbeschäftigungsantrag aber abgewiesen und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung durch die Beklagte in Höhe von EUR 38.479,37 aufgelöst.

Das Arbeitsgericht verwies in seiner Begründung darauf, dass für eine außerordentliche Kündigung kein wichtiger Grund vorliegen würde. Das Umfassen mit der Hand in der Magengegend stellt zwar kein sozial-adäquates Verhalten dar, aber reiche nicht als wichtiger  Grund für eine außerordentliche Kündigung. Darüber hinaus wurde vom Arbeitsgericht verneint, dass eine sexuelle Belästigung im konkreten Fall vorliegen würde. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass der Vorfall im Rahmen eines geselligen Zusammenseins geschah. Ein solches Fehlverhalten hätte auch mit einer Abmahnung geahndet werden können, insbesondere nachdem das Arbeitsverhältnis 13 Jahre unbeanstandet bestanden habe.

Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung ein.

Die Stellungnahme des Landgerichts in dieser Frage

Das Landesarbeitsgericht gab dem Arbeitsgericht recht und bestätigte, dass eine sexuelle Belästigung grundsätzlich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt, aber im Arbeitsrecht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gelten würde. Hiernach hat der Arbeitgeber alle Umstände abzuwägen. In diesem Fall wäre allenfalls eine Abmahnung vertretbar.

Auch das Landesarbeitsgericht vermöchte keine bzw. nur eine sehr geringe sexuelle Belästigung zu sehen und diese würde keinen wichtigen Grund darstellen. Für Arbeitgeber stellt gerade die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers immer eine besondere Abwägungspflicht dar, da die Kündigung immer das ultimo ratio sein darf. Neben der Dauer des Arbeitsverhältnisses spielen immer auch die Frage der Unterhaltsverpflichtung, eine ggfl. vorliegende Schwerbehinderung, das Alter und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle. Im Rahmen der Interessensabwägung muss der Arbeitgeber immer prüfen, ob ein geringeres Mittel wie die Abmahnung ausreichend ist.