Ist ein Stundenlohn von 2 Euro sittenwidrig?

Geht es nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung, so soll die Rechtsprechung zum Verbot sittenwidriger Löhne gesetzlich festgeschrieben werden, um Lohndumping zu verhindern. Nach Ansicht des WSI wird sich das geplante Verbot von sittenwidrigen Löhnen jedoch als wirkungslos erweisen. Das geplante Gesetz würde die Situation schlecht bezahlter Arbeitnehmer nicht verbessern - es würde lediglich noch einmal aufgeschrieben, was ohnehin geltendes Recht ist. Zum anderen schützt eine entsprechende Regelung keineswegs vor Dumping-Löhnen.

Was ist ein sittenwidriger Stundenlohn?
Löhne gelten als sittenwidrig, wenn sie ein Drittel oder noch weiter unter dem Branchendurchschnitt oder gültigen Tariflohn liegen. Nach dieser Regel entschieden die Arbeitsgerichte in der Vergangenheit, wenn sie über die Sittenwidrigkeit von Löhnen zu entscheiden hatten.

Damit ergeben sich allerdings in vielen Branchen Lohnuntergrenzen von weniger als sechs Euro. So zeigt der WSI-Experte für Tarifpolitik Reinhard Bispinck auf, dass beispielsweise im sächsischen Friseurhandwerk ein Bruttostundenlohn von 2,04 Euro – zwei Drittel der untersten Tarifvergütung – noch nicht als sittenwidrig anzusehen ist.

Als weiteres Beispiel nennt er Berliner Wachdienste, die ihren Beschäftigten 3,66 Euro die Stunde zahlen können, ohne dass dieser Lohn als sittenwidrig einzustufen wäre.

Stundenlohn ist nicht Existenz sichernd
Solch niedrige Stundenlöhne sind selbst bei Vollzeitarbeit nicht Existenz sichernd. Nach Ansicht von Reinhard Bispinck, Leiter des WSI-Tarifarchivs, ist zur Bekämpfung sittenwidriger Löhne und zur Begrenzung des Niedriglohnsektors ein verbindlicher Mindestlohn von wenigstens 7,50 Euro erforderlich. In den westeuropäischen Nachbarländern lägen die gesetzlichen Mindestlöhne zurzeit zwischen acht und neun Euro.