Ist der Solidaritätszuschlag doch verfassungswidrig?

Ein niedersächsisches Finanzgerichts hält die andauernde Erhebung des Solidaritätszuschlags für verfassungswidrig und legt das Klageverfahren dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor.

Der Solidaritätszuschlag wird seit 1991 erhoben
Der Solidaritätszuschlag wird mit Unterbrechungen seit 1991 bzw. seit 1995 durchgängig im Wege einer Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer und   Körperschaftsteuer erhoben. Derzeit beträgt das jährliche Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag etwa 12 Milliarden Euro.

Hintergrund: Der Solidaritätszuschlag wurde kurz nach der deutschen Wiedervereinigung im Juli 1991 eingeführt. Die zunächst für nur ein Jahr befristete Steuer von 3,75 Prozent auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer sollte den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern finanzieren. Im Jahr 1995 führte die damalige Bundesregierung den Solidaritätszuschlag aber wieder ein, um Lücken im Bundeshaushalt zu stopfen – und zwar unbefristet und mit einem Steuersatz von 7,5 Prozent. Seit 1998 liegt der Solidaritätszuschlag bei 5,5 Prozent.

Klage gegen den Solidaritätszuschlag
Ein 37-jähriger Angestellter hatte gegen die Rechtmäßigkeit des Solidaritätszuschlags im Jahr 2007 geklagt. Der Steuerzahler musste damals rund 1.000 Euro Solidaritätszuschlag zahlen und wollte mit der Klage gegen den Solidaritätszuschlag die Aufhebung seines Steuerbescheides erreichen.

Dem Antrag des Angestellten gegen Zahlung des Solidaritätszuschlags hielt die Leiterin des beklagten Finanzamtes Quakenbrück entgegen, dass der Bund für die deutsche Einheit mehr als eine Billion Euro aufgewendet habe. Darüber hinaus würde der Bund jährlich weitere rund 100 Milliarden Euro an Vereinigungslasten aufwenden. Davon abgesehen gebe es im Grundgesetz für Ergänzungsabgaben des Bundes keine zeitliche Begrenzung nach oben.

Ist der Solidaritätszuschlag verfassungswidrig?
Nach Ansicht des Senatsvorsitzenden Georgia Gascard war das tragende Motiv für die Einführung des Solidaritätszuschlags die Kosten für die deutsche Einheit. Hierbei handelte es sich aber um einen langfristigen Finanzbedarf, der nicht durch die Erhebung einer Ergänzungsabgabe wie des Solidaritätszuschlags gedeckt werden darf.

Daher ist das niedersächsische Gericht davon überzeugt, dass der Solidaritätszuschlag spätestens ab dem Jahr 2007 seine verfassungsrechtliche Berechtigung verloren hat. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dient eine Ergänzungsabgabe wie der Solidaritätszuschlag nur der Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen. Das Klageverfahren wurde daher mit dem Aktenzeichen 7 K 143/08 dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt.

Verfassungsmäßige Prüfung des Solidaritätszuschlags
Die Entscheidung über die Klage des 37-jährigen Steuerzahlers gegen den Solidaritätszuschlag setzten die Finanzrichter bis zum Abschluss der Prüfung aus.

Im Rahmen der anstehenden verfassungsrechtlichen Prüfung des Gesetzes über den Solidaritätszuschlag müsse nach Ansicht der Richter nicht nur die Artikel 105 und 106 des Grundgesetzes, sondern auch die Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren für diese Artikel herangezogen werden.

Die Absicht des Gesetzgebers, dass eine Ergänzungsabgabe wie der Solidaritätszuschlag nur der vorübergehenden Deckung von Bedarfsspitzen dienen darf, ergebe sich nämlich insbesondere aus diesen Materialien, denn in den Artikeln 105 und 106 des Grundgesetzes selbst findet sich ein derartiger Hinweis nicht.