Die Verbindung Islam und Demokratie ergibt sich aus der Umma. Die Umma als erste gemeinsam entscheidende Gemeinschaft ermöglicht folgende Bewertung: Die Umma stellt eine Kollektivform dar, in der die Individuen durch starke innerliche Bindungen, ohne eine gegenseitig notwendige Aufteilung in Rechte und Pflichten, verbunden sind.
In der Soziologie wird zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft unterschieden:
- "Gesellschaft" stellt eine mehr äußerliche Kollektivform dar, in welcher das gegenseitige Verhältnis der Einzelnen die Form eines juristischen Vertrages hat
- "Gemeinschaft" ist hingegen geprägt von einer starken persönlichen inneren Haltung(1).
Wenn der Islam und mit ihm die Muslime in der Bundesrepublik beurteilt werden, so ist einerseits die "vorindustrielle Kultur" dieser Religionsform und andererseits auch der Unterschied von moderner "Gesellschaft“ und Umma-orientierter "Gemeinschaft" zu bedenken.
Auch wenn Mohammed bei seinen Vorstellungen des religiösen Zusammenlebens der Gläubigen scheinbar eine klassenlos-demokratische Umma-Gemeinschaft vor Augen hatte, so beschäftige sich der erste theologische Disput nach seinem Tod vor allem mit zwei Fragen.
- Wer sollte als religiöser Führer ernannt werden.
- In wieweit sollte die Persönlichkeit des politischen Führers durch seine ethisch-religiösen Qualitäten bestimmt sein.
Über die Debatte um diese beiden Fragen, geriet eine mögliche "demokratische" Ordnung, wie sie Mohammed vielleicht favorisiert hätte, völlig außer Acht.
Islam und Demokratie: Im Islam ist ein Wandel möglich
Die Muslime stehen überwiegend und noch immer vor allem unter der Autorität von Koran und Sunna. Diese beiden Glaubensquellen, so Köster (2) "sind ihrerseits Spiegelbild konkreter sozio-kultureller Gegebenheiten, das heißt, sie stammen weitgehend aus der Gründerzeit des Islam, und selbst da, wo sich der Islam im Laufe der Geschichte erstaunlich gut anzupassen vermochte (Indonesien, Afrika), ist die gesellschaftliche, kulturelle und geschichtliche Verfasstheit dieser Länder den statisch-traditionellen Gesellschaften zuzuordnen.
Wie die arabischen Länder sind sie bis heute noch weitgehend vom Prozess der "Aufklärung", von moderner Technik und Zivilisation, der Unterscheidung von "rein weltlichen" und "rein religiösen" Lebensbereichen verschont geblieben." Doch vor allem die in den modernen Gesellschaften lebenden Muslime fordern und fördern Veränderungen. Seit dem ersten "Kongress der Demokraten der Islamischen Welt" sollten diese nicht mehr übersehen sondern unterstützt werden.
(1) Wilpert P.: Der Einzelne und die Gemeinschaft, Donauwörth, 1949, S. 42,
(2) Köster, F.: Religiöse Erziehung in den Weltreligionen. Hinduismus, Buddhismus, Islam, Darmstadt 1986, S. 194f