Interkulturelle Bildung: Wissenschaftlicher Perspektivwechsel

Die wissenschaftliche Entwicklung von Interkultureller Erziehung bzw. Interkulturellem Lernen über die Antirassistische Erziehung zu Interkultureller Bildung verdeutlicht einen Perspektivwechsel.

Erstens: Die Perspektive der Beurteilung von Migrationsverhalten wurde um einen wesentlichen Aspekt erweitert.

Interkulturelle Bildung und ihre Perspektiverweiterung
Während vormals nur die Anpassungs- bzw. Akkulturationsmuster der Migranten untersucht wurden, werden jetzt auch die Verhaltensmuster der Aufnahmegesellschaft betrachtet. Im Zusammenhang eines Zusammenwachsens zu einer multikulturell orientierten Gesellschaft, stellt sich die Frage, welche Akkulturationsmuster die Mehrheitsgesellschaft hinsichtlich der gegebenen Minderheitenkulturen verwendet.

Dass über die Akkulturationsmuster der Mehrheitsgesellschaft lange Zeit kaum wissenschaftlich gesprochen wurde, macht eines sehr deutlich: Von einer gegenseitigen Akkulturation, hin zu einer multikulturellen Gesellschaft konnte bislang oder kann (noch) nicht ausgegangen werden.

Zweitens: Während vormals davon ausgegangen wurde, dass ein interkultureller Fokus zu erlernen oder durch Erziehung anzutrainieren sei, geht man heute davon aus, dass ein Interkulturelles Bewusstsein in jedem Einzelnen erwachsen, sich in ihm/ihr bilden sollte.

Interkulturelle Bildung bezieht sich auf Bildung
Bildung bezeichnet das "Wechselgeschehen zwischen dem Menschen und der Welt. Im handelnden Umgehen des Menschen mit den Inhalten der Welt erschließt sich diese Welt, zugleich aber auch der Mensch, dem an der Welt das eigene Ich erfahrbar wird. Dieser Prozess ist schlechthin individuell; niemand kann sich für einen anderen bilden, niemand kann im vollen Sinne einen anderen bilden."

Die bildende Tätigkeit der Erwachsenen besteht in einer "Auswahl der wirkenden Welt … Der Pädagogik stellt sich das Problem der Auswahl des Bildungsangebots, das individuelle Bildung ermöglichen soll." (Schorb, Alfons O.: Pädagogisches Taschenlexikon a-z, Bochum, o.J.)

Interkulturelle Bildung zielt somit auf die Bildung interkulturellen Denkens durch (Selbst-)Erfahrung innerhalb der wirkenden interkulturellen Welt.