Diese Gedanken habe ich in meinem Beitrag Qualifikationsanalyse und Stellenmarktanalyse: Ein innovativer Strategieansatz näher ausgeführt und möchte sie hier als Auftakt der Reihe "Innovative Bewerbungsstrategien" mit leicht verändertem Fokus noch mal kurz zusammenfassen.
"Qualifikationen" verwende ich im Folgenden als Oberbegriff zu ‚Kenntnissen‘, ‚Fähigkeiten‘, ‚Fertigkeiten‘ und ‚Erfahrungen‘. Die Summe aller für eine bestimmte Aufgabe relevanten Qualifikationen macht die Eignung des Bewerbers/der Bewerberin aus im Sinne der Wahrscheinlichkeit guter oder sehr guter Aufgabenerfüllung.
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Die Lebenslaufanalyse
endet nicht wie üblich auf der zweiten Ebene (1. Ebene: Station im Lebenslauf; 2. Ebene: Dort wahrgenommene Aufgaben bzw. Lerninhalte bei Aus- oder Weiterbildung), sondern erst auf der dritten Ebene (dadurch erworbene/angewendete/vertiefte Qualifikationen). Erst diese dritte Ebene [oder dritte Tabellenspalte] bildet – konsolidiert – das Ist-Qualifikationsprofil ab.
Mit diesem Ist-Qualifikationsprofil haben wir
- Eine Übersicht über unsere berufsrelevanten Qualifikationen,
- unmittelbaren Hinweis auf Weiterbildungsbedarfe (wo ist das Profil nicht "rund"?)
- sowie zu guter Letzt Argumente für unser Bewerbungsschreiben [siehe unten].
Der zeitliche Aufwand sieht auf den ersten Blick immens aus, hält sich aber in Grenzen, weil die Arbeit einmal geleistet und danach lediglich bei jedem Aufgabenwechsel – intern oder extern – fortgeschrieben werden muss. Diese Aufgabe fällt durchaus in den Bereich der Selbstverantwortung für die eigene Beschäftigungsfähigkeit (siehe dazu Employability – Beschäftigungsfähigkeit: Employability-Management – Selbstverantwortung des Einzelnen )
Die Stellenanalyse
In analoger Weise geht man jetzt im Rahmen der Stellenmarktanalyse vor: Spalte 1 ist die Beschreibung der – ausgeschriebenen oder auf anderem Weg angepeilten – Stelle, Spalte 2 die Liste der dort zu erfüllenden Aufgaben (meist in der Ausschreibung explizit oder implizit genannt).
Eine gute und zielführende Vorbereitung einer Bewerbung erfordert auch hier die ‚dritte Spalte‘: Mutmaßungen über die zur erfolgreichen Aufgabenwahrnehmung benötigten Qualifikationen! Und zwar unterschieden in MUSS-, SOLLTE- und KANN-Qualifikationen.
Diese Soll-Qualifikationen sollten in der Bewerbung unbedingt kommuniziert werden: Dies ist nicht nur eine elegante Form des immer wieder geforderten Eingehens auf die Ausschreibung (ohne simples ‚Quittieren‘: hab‘ ich – kann ich – bin ich), sondern auch eine risikoarme Möglichkeit, Pluspunkte für die eigene Bewerbung zu sammeln:
- Liege ich mit meinen Mutmaßungen richtig, zeige ich damit, dass ich mich intensiv mit der Stelle auseinandergesetzt habe und die auf mich zukommenden Aufgaben realistisch einschätze.
- Liege ich annähernd oder teilweise richtig, bleibt immer noch der Pluspunkt, Mut bewiesen zu haben – und der Faktor, sich von anderen (0-8-15) – Bewerbungen abzuheben.
- Und liege ich völlig falsch mit meiner Einschätzung, dann ist es gut, wenn ich jene Stelle nicht bekomme [es ist ja nicht die, auf die ich mich beworben habe], denn so bleibt mir ein Kurzfrist-Engagement und zusätzlicher Erklärungsbedarf in meinem künftigen Lebenslauf erspart.
Identifikation interessanter Stellen
Wenn man nun Soll- und Ist-Qualifikation abgleicht (also sozusagen die beiden Raster ‚übereinanderlegt), ergibt sich eine mehr oder weniger gute Übereinstimmung.
- Liegt die Übereinstimmung nahe bei einhundert Prozent, ist die Stelle nicht dazu geeignet, sich persönlich und in den eigenen Qualifikationen weiterzuentwickeln (Routinetätigkeit mit Gefahr der Unterforderung, bestenfalls geeignet, um damit Geld zu verdienen).
- Idealerweise liegt die Übereinstimmung als Faustregel um 70 bis 80 Prozent, und es fehlen keine MUST-Soll-Qualifikationen. Eine solche Stelle verspricht positiven Stress, ein gutes Maß an Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten und Gelegenheiten zu FLOW-Erlebnissen.
- Geringere Übereinstimmungen oder das Fehlen von MUSS-Soll-Qualifikationen steigern das Risiko der Überforderung und des Scheiterns und, daraus resultierend, zusätzlicher Schwierigkeiten bei zukünftigen Bewerbungen (Erklärungsbedarf und zunehmend prekäres Selbstbild).
Mit dieser Strategie beugt man nebenbei auch der Gefahr vor, "immer im eigenen Saft zu schmoren" und nur immer gleiche oder ähnliche Stellen anzupeilen.
Wenn in einer Ausschreibung bestimmte einschlägige Berufserfahrung gefordert ist,
bedeutet dies in aller Regel nur, dass mit diesem beruflichen Werdegang die erforderlichen Qualifikationen mit großer Wahrscheinlichkeit verbunden sind. Wer die nötigen Qualifikationen auf anderem Wege erworben zu haben glaubt, muss diese Tatsache plausibel machen.
Die Bewerbung enthält Fakten, Fakten, Fakten
Das Anschreiben ist mit Abstand der wichtigste Teil einer Bewerbung, da es in vielen Fällen fast allein darüber entscheidet, ob die Bewerbung Runde 2 des Auswahlverfahrens erreicht. Das bedeutet glasklar, dass alle Argumente, die für diesen Bewerber/diese Bewerberin sprechen, im Anschreiben genannt sein müssen.
Und der Qualifikationsabgleich (Soll vs. Ist) liefert alle notwendigen Argumente. Lediglich die Reihenfolge muss beim Verfassen der Bewerbung festgelegt werden.
Ergebnis dieses Verfahrens, eine Bewerbung zu erstellen, ist eine individuelle Bewerbung, die sich in positiver Weise von den Konkurrenzbewerbungen abhebt und so die Bewerbungschancen maximiert.