Helau und Alaaf! – Jecken vor Gericht: Muss der Chef die fünfte Jahreszeit finanzieren?

Dass ein Arbeitgeber im Rheinland eine Betriebsvereinbarung "angleicht", die bisher für die Mitarbeiter vorsah, an Weiberfastnacht, Rosenmontag sowie am Fastnachtdienstag bezahlt frei zu bekommen, ist für einen echten Jecken wohl unvorstellbar. Nicht jedoch für die nüchternen Richter am Landesarbeitsgericht, und das ausgerechnet in der Karnevalshochburg Köln.

Dort konnte sich ein Unternehmer gegen seinen Betriebsrat mit der Forderung durchsetzen, die – bisher bezahlt – freien tollen Tage im Rahmen einer "Angleichung der Betriebsvereinbarung" neu zu regeln. Von der Arbeit fern bleiben dürfen die Mitarbeiter weiterhin – allerdings unter Anrechnung der Fehlzeit. Es sei den Beschäftigten zuzumuten, die Minusstunden mit Freizeitansprüchen zu verrechnen oder sie nachzuarbeiten. (AZ: 6 Ta 76/06) Weitere "närrische" Urteile:

Bei Ausnahme-Veranstaltungen darf es außergewöhnlich laut zugehen

Das Verwaltungsgericht Köln hat entschieden, dass auf einem städtischen Veranstaltungsplatz für die Karnevalszeit (hier insgesamt 5) Karnevalsveranstaltungen durchgeführt werden dürfen. Die Stadt dürfe Genehmigungen dafür erteilen, wenn sie gleichzeitig Auflagen mit auf den Weg gibt, die hier unter anderem daraus bestanden, vor jeder Party Soundchecks durchführen zu müssen, Schallpegelmesser zu installieren oder Vorgaben über die Aufstellung der Lautsprecher einzuhalten, damit der Lärm "erträglich" bliebe.

Eine Nachbarin könne sich jedenfalls nicht mit Blick auf die Störung der Nachtruhe gegen die Veranstaltungen wehren – bei seltenen Ereignissen dürfen die üblichen Freizeit-Richtlinien bezüglich der Lärmwerte ausnahmsweise überschritten werden.

(VwG Köln, 13 L 139/12)

In Köln gibt es Kölsch teils nur aus Pappbechern

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat das von der Stadt Köln zum Karneval für bestimmte Viertel ausgesprochene "Glasverbot" bestätigt. Ein solches Verbot sei gerechtfertigt, um die Verletzungsgefahr durch Glasbruch zu verringern und den Gefahren durch das "Scherbenmeer" (unter anderem die in der närrischen Zeit häufig auftretenden Reifenpannen sowie die Behinderung der Rettungsfahrzeuge) entgegenzuwirken.

Die besonderen Verhältnisse des Kölner Straßenkarnevals rechtfertigten nach den Erfahrungen eine differenziertere Betrachtung, weil es jährlich durch am Boden liegende Glasflaschen und Scherben inmitten dicht gedrängter Menschenmassen zu einer Störung der öffentlichen Sicherheit komme.

(OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, 5 A 2375/10 u. a.)

Auch nach der Trennung dürfen Mariechen tanzen

Trennt sich eine karnevalistische Tanzmariechengruppe (hier das "1. Bischöfliche Münsterische Offizierscorps") vom Karnevalsverein (hier die "Phaolsbürger" aus Münster), für den sie bisher aufgetreten ist, und tritt die Gruppe fortan unabhängig vom Verein – jedoch mit dem ursprünglichen Namen – auf, so darf der Verein nicht per einstweiliger Verfügung und per Gerichtsvollzieher die Kostüme (hier unter anderem "Spitzenhöschen und Turnschläppchen") beschlagnahmen. Das Landgericht Münster kassierte die Verfügung. (AZ: 2 O 664/05)

Haftung für Vergesslichkeit auch ohne Vertrag

Der Kaskoversicherer eines Mietwagens kann gegen eine Bekannte des Mieters Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn sie – vom Mieter genehmigt – das Auto nach einer durchzechten Karnevalsnacht in der Stadt stehen lässt, ihre Jacke samt Schlüssel in der Gaststätte vergisst und der Wagen gestohlen wird. Auch wenn sie nicht Vertragspartner der Versicherung war, muss sie Schadenersatz leisten: Sie hat das "Tun der Diebe provoziert". (Oberlandesgericht Hamm, 9 U 161/03)

Am Morgen nach Karnevalsnacht nicht ans Steuer

Wer nach ausgiebiger Zecherei an Weiberfastnacht am nächsten Morgen Auto fährt und mit mehr als 1,1 Promille Alkohol im Blut einen Unfall auf einer (vereisten) Kreuzung verursacht, der hat seiner Kfz-Haftpflichtversicherung wegen grober Fahrlässigkeit den von ihr übernommenen Schaden bis zu 5.000 Euro zu ersetzen. Daran ändert nichts, dass er sich nach dem morgendlichen Duschen "frisch gefühlt" hat. (Oberlandesgericht Hamm, 27 U 163/02)

Traditioneller Karneval kommt vor dem Trommelfell

Die von traditionellen Karnevalsveranstaltungen ausgehende – auch an sich "unzumutbare" – Lärmbelästigung muss von den Anwohnern grundsätzlich hingenommen werden. Bedingung: Die Festivitäten (hier in einem Zelt auf einer Grünfläche im Wohnbereich) zählen zum "kulturellen Brauchtum" und haben eine "erhebliche Bedeutung für das örtliche Gemeinschaftsleben". (Hier anerkannt für die "Kappensitzung" und an Weiberfastnacht.) (OVG Rheinl.-Pfalz,6 B 10279/04)

"Sehr selten" darf es sehr laut sein

Öffentliche Veranstaltungen (hier ging es um eine Karnevalssitzung) dürfen dann (auch nach 24 Uhr) einen Lärmpegel von 55 Dezibel überschreiten, wenn sie als "sehr seltenes Ereignis" mit einer "besonderen Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft" zu bewerten ist. Wird dieses Kriterium erfüllt, müssen die Anwohner Lärm auch bis 2 Uhr hinnehmen. Welche Feste so eingestuft werden, ist sehr streng zu prüfen. (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 6 A 10947/04 u.a.)

"Karnevalsfrei" gibt es nicht per Betriebsvereinbarung

Der Betriebsrat eines Kölner Versicherungsunternehmens hat grundsätzlich bei der Arbeitszeitverteilung mitzubestimmen. Gibt es in dem Unternehmen allerdings eine – vom Betriebsrat bestätigte – Betriebsvereinbarung, nach der die Tage Montag bis Freitag reguläre Arbeitstage sind, so muss der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht einschalten, wenn er "Arbeit am Karnevalsdienstag" (der allerdings in jahrzehntelanger Praxis frei war) anordnet. Es müsste schon die Betriebsvereinbarung geändert werden. (Bundesarbeitsgericht, 1 ABR 31/03)

"Bullen" dürfen beschimpft, nicht aber bespuckt werden

Beschimpft ein betrunkener Karnevalist einen Polizisten als "Arschloch" und "Scheißbulle", so wird der Beamte nicht beleidigt, weil sich die Bemerkungen nicht gegen ihn persönlich, sondern gegen seine "Eigenschaft als Ordnungshüter" richten. Wird er jedoch zusätzlich bespuckt, so ist von einer Körperverletzung auszugehen (die hier mit 250 Euro gesühnt wurde.) (Landgericht Münster, 8 S 210/02)

Karnevalsmusikant darf ohne Tuba pinkeln gehen

Ein Musiker, der während einer Karnevalsveranstaltung die Tuba spielt, kann den vollen Ersatz für sein Musikinstrument verlangen, wenn er "einem dringenden Bedürfnis nachgeht" und seinen Bläser vor der Toilette abstellt, wo er von einem Jecken demoliert wird. Die Privathaftpflichtversicherung des Zerstörers muss voll leisten; die Tuba musste nicht mit auf die Toilette genommen werden. (Amtsgericht Siegburg, 2a C 232/02)

An Karneval haben die Narren die Macht

Überquert ein Mädchen eine Straße, über die sich ein Karnevalszug hinwegbewegt, und verliert sie beim Zusammenstoß mit einem "Narren" zwei Schneidezähne, so kann die Mutter keinen Schadenersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vom Veranstalter des Zuges verlangen, da an Karneval die Narren die "Herrschaft" haben (und hier der Umzug zudem von Ordnern begleitet wurde). (Amtsgericht Waldkirchen, 1 C 12/99)

Kamelle-Geschoss bleibt ohne Folgen

Wird der Besucher eines Karnevalzuges von einem Bonbon getroffen, wodurch ein Schneidezahn verloren geht, so kann er keinen Schadenersatz vom Veranstalter fordern, weil es nicht zu seiner Verkehrssicherungspflicht gehört, den Teilnehmern des Umzuges "Anweisungen über das Werfen von Süßigkeiten in die Zuschauermenge" zu geben. (Landgericht Trier, 1 S 150/94)

(von Wolfgang Büser und Maik Heitmann)