Haben abgelehnte Stellenbewerber einen Anspruch auf Begründung?

Nachdem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) 2006 eingeführt wurde, hat eine große Zahl von abgelehnten Stellenbewerbern auf Schadensersatz wegen einer angeblichen Benachteiligung geklagt. Um zu gewinnen, müssen mindestens Indizien für die Benachteiligung dargelegt werden. Gleichwohl müssen Sie als Arbeitgeber in aller Regel keine Begründung für ihre Entscheidung geben.

Abgelehnte Stellenbewerber müssen also Indizien dafür angeben, dass eine Benachteiligung vorgelegen hat. Natürlich ist die Kenntnis der Ablehnungsgründe dafür entscheidend. Trotzdem hat der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung vom 19.4.2012 (Aktenzeichen C-415/10) entschieden, dass abgelehnte Stellenbewerber keinen Anspruch auf Begründung der Ablehnungsentscheidung haben.

Geklagt hatte eine fachlich qualifizierte Bewerberin mit russischer Herkunft, die sich auf eine Stellenanzeige beworben hatte und ohne nähere Begründung abgelehnt wurde. Sie begehrte Einblick in die Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers. Darüber hinaus verlangte sie Schadensersatz. Beides wurde letztendlich abgelehnt.

Nach der EuGH Entscheidung haben Stellenbewerber daher keinen Anspruch auf

  • Auskunft darüber, ob die Stelle mit einem anderen Bewerber besetzt wurde,
  • Auskunft darüber, welche Kriterien zur Auswahl des eingestellten Bewerbers geführt haben.

Das bedeutet für den Umgang mit abgelehnten Stellenbewerbern

Zunächst sollten Sie bei der Personalauswahl natürlich Diskriminierungen und Benachteiligungen wegen der in § 1 AGG genannten Kriterien (z. B.: Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft) vermeiden. Gleichzeitig sollten Sie es aber auch vermeiden, Stellenbewerbern mögliche Argumente an die Hand zu geben. Am besten begründen Sie Ihre Auswahlentscheidung nicht, sondern teilen dem Stellenbewerber lediglich mit, dass Sie sich für einen anderen Bewerber entschieden haben.

Formulierungsbeispiel:

Vielen Dank für die Bewerbung auf die von uns ausgeschriebene Stelle als Mitarbeiter/in in der Buchhaltung. Leider müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass wir uns für einen anderen/andere Bewerber/in entschieden haben. Wir wünschen Ihnen für Ihre weiteren Bewerbungen viel Erfolg. Die uns überlassenen Bewerbungsunterlagen fügen wir zu unserer Entlastung bei.

Wichtig: In der Praxis rufen viele abgelehnte Bewerber an und erkundigen sich nach den Gründen für die Ablehnung. Weisen Sie auch Ihre Mitarbeiter, die das Telefon bedienen, an, keinerlei Auskünfte über den eingestellten Bewerber zu geben oder die Ablehnung zu begründen.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung übrigens auch ausgeführt, dass die Ablehnung von Informationen über die Auswahlkriterien bei der Würdigung der Darlegungs- und Beweislast zu Gunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden kann. Welche genauen Auswirkungen dies in der Praxis haben wird, bleibt abzuwarten. Solange Sie aber nur zulässige Auswahlkriterien (§ 1 AGG) berücksichtigen, ist dies für Sie unerheblich.