Grau ist Bunt – Neues Wohnen für die jungen Alten

Von Henning Scherf, Bremens Ex-Bürgermeister und "bekanntestem Kommunarden" (DIE ZEIT im November 2005) kann man lernen, "was im Alter möglich ist". So lautet auch der Untertitel seines Buches "Grau ist bunt", in dem der mit 66 Jahren aus Altersgründen zurückgetretene Scherf ein Wohnprojekt beschreibt, das nach seiner Vision als eine Art "Wahlfamilie" die Aufgaben der früheren Großfamilie mit mehreren Generationen unter einem Dach ablösen könnte.

Alternative Wohnformen für die "jungen Alten"
Bereits einige Jahre vor dem Ruhestand war der Bremer Altbürgermeister zusammen mit seiner Frau, zwei weiteren Paaren und einem katholischen Priester in einen Gemeinschaftshaushalt gezogen, den er selbst als WG bezeichnete.

Dies mag bei manchem Studenten-WG-Geschädigten ungute Erinnerungen wecken und hat, wie man vielleicht noch aus der Doku-Soap "Silver Girls" bei arte erinnert, in der Tat so seine gruppendynamischen Tücken. Nichtsdestotrotz stoßen alternative Wohn- und Lebensformen für die Gruppe der "jungen Alten" schon aus demografischen Gründen auf breites Interesse.

Gut funktionierende Modelle für das "Neue Wohnen" im Alter sind rar
Allerdings, so stellt Burghard Strassmann in der ZEIT fest, seien gut funktionierende Wohn- und Lebensgemeinschaften von älteren Menschen "so rar, wie der Wunsch danach groß" sei. Die Zahl der tatsächlich realisierten Projekte stehe "in einem erstaunlichen Missverhältnis zum öffentlichen Interesse". Die Zahl der Alten, die bundesweit in unterschiedlichsten Wohn-, Haus- und Hofgemeinschaften ihr Leben gemeinschaftlich organisierten, sei mit ca. 8000 "vernachlässigbar gering".

Dennoch löst jede neue Variante des Themas "alternatives Wohnen im Alter" denselben Medien-Hype aus. Dies erlebte auch der Architekt Josef Wulf, der im emsländischen Meppen nahe der holländischen Grenze die erste Wohnanlage für Menschen ab 60 nach dem Vorbild der Sun-Cities in Florida oder der Senioren-Wohndörfer in Australien eröffnete.

Bereits kurz nach der Übergabe der ersten Wohneinheiten zu Ostern 2009 nahm der journalistische Andrang derart massive Formen an, dass die Bewohner der auf 36 altengerechte Einfamilienhäuser mit eigenem Garten und einen kleinen Tante-Emma-Laden projektierten Anlage sich schon bald in ihren verklinkerten Senioren-Bungalows verschanzten und für Interviews nicht mehr zur Verfügung standen.

"Miami in Meppen"
"Miami in Meppen", so der Titel einer Reportage, beinhaltet mehr als nur barrierefreies Wohnen auf kleinen Grundrissen, rollstuhlgerechte Duschen, erhöhte Toiletten, abgerundete Kanten im ganzen Haus sowie das Fehlen erhöhter Bordsteine in den verkehrsberuhigten Wohnstraßen des kleinen Viertels. Die Philosophie dieser Wohn- und Lebensform: Selbständig bleiben so lange es geht, den eigenen Garten gestalten, alles selber bestimmen.

Und wenn’s nicht mehr geht, hilft die "Kümmerin", eine geschulte Allrounderin mit Pflegeausbildung, die von den Bewohnern gemeinsam bezahlt wird. Sie kauft im Bedarfsfall ein, geht zur Apotheke, mäht den Rasen, erledigt Behördenkram. Tritt Pflegebedürftigkeit ein, muss nicht in eine neue Einrichtung gewechselt werden. Die Angst vor einer Heimunterbringung ist gebannt.

Den letzten Lebensabschnitt selbst bestimmen
Gemeinsam ist all den bunten Wohnprojekten, dass hier die Senioren ihr Leben regeln und planen, solange sie es noch selbst können. Die "jungen Alten" bleiben aktiv und selbständig. Die Angehörigen, durch die Mobilitätszwänge des Berufslebens oft weit verstreut, werden nicht mit den Sorgen der alternden Eltern belastet. Und auch die wachsende Zahl der Kinderlosen kann so für das Altern in Würde vorsorgen.